Falknerei und Pferdezucht stehen auf dem Stundenplan einer Dorfschule in der Mittelslowakei. Ein weltweit einzigartiges Experiment. Von der Pike auf lernen die Kinder dort den Umgang mit Raubvögeln. Auch in ihrer Freizeit kümmern sich die Schüler um die Weisskopfseeadler, Gänsegeier und Habichte. Viele Absolventen arbeiten später als begehrte Fachkräfte im Ausland.
Von Stefan Heinlein
In der Slowakei gibt es eine einzigartige Falkner-Grundschule. (dpa picture alliance / Rainer Weisflog)
Schon vor der ersten Unterrichtsstunde am frühen Morgen kümmert sich Natalka um ihren Falken. Auch an den Wochenenden und in den Ferien ist die elfjährige Grundschülerin verantwortlich für die Fütterung und Pflege des Raubvogels.
"Das macht mir sehr viel Spass. Es ist doch besser, wir kümmern uns um lebendige Tiere, als wenn wir nur vor dem Computer hocken. Wir lernen alles über die Raubvögel - wie man sie füttert und fliegen lässt, aber sogar auch ihre lateinischen Namen."
Seit 2009 steht die Falknerei auf dem Stundenplan der Grundschule in Stiavnicke Bane. Ein kleines abgelegenes Dorf in der Mittelslowakei, umgeben von Wäldern, Bergen und Seen. Schuldirektor Pavel Michal hat das weltweit einzigartige Experiment in Gang gebracht:
"Wir hatten grosse Probleme, die Schule zu erhalten. Hier gibt es zwar eine wunderschöne Natur, aber kaum Kinder. Also mussten wir uns etwas überlegen. Jetzt mit unserem Unterrichtsfach Falknerei kommen auch aus den Städten der Umgebung sehr viele Kinder."
Weisskopfseeadler, Gänsegeier und Steppenadler
40 Raubvögel sind auf dem idyllischen Schulgelände zu Hause. Auch der Weisskopfseeadler und der riesige Gänsegeier sind Zuchttiere aus öffentlichen Zoos oder Privathaushalten. Der Stolz der ganzen Schule ist jedoch der eigene Nachwuchs der Steppenadler. Die grossen Vögel machen den kleinen Kindern keine Angst, so Lehrerin Martina Smutna:
"Es ist sehr sinnvoll, wenn sich die Kinder selbstständig um ein Lebewesen kümmern müssen. Tiere lassen sich nicht so einfach ausschalten, sondern man muss sich tagtäglich um sie kümmern. Die Schüler lernen also, Verantwortung zu übernehmen."
Nicht wenige Schüler - so Direktor Pavel Michal - machen später die Falknerei zu ihrem Beruf:
"Gerade hat ein ehemaliger Schüler in Dänemark angefangen, als Falkner zu arbeiten. Aber auch in Kanada, Deutschland oder Österreich finden sie Jobs in Zuchtstationen oder an Flughäfen. Unsere Ausbildung erleichtert ihnen später die Suche nach einem Arbeitsplatz."
Mehrfach bereits wurden Schüler und Lehrer als Ehrengäste auf internationale Falkner-Festivals in die Arabischen Emirate eingeladen. Der Erfolg macht die mittelslowakische Dorfschule ausserdem zu einer kleinen Touristenattraktion. Im vergangenen Jahr kamen über 1.500 Besucher aus aller Welt, um die Kinder und ihre Vögel zu bestaunen.