Von Christoph Thanei (dpa) /
Do, 21. Februar 2019
Vor einem Jahr wurden Jan Kuciak und seine Partnerin getötet – seither sind Polizei, Justiz und Medien unabhängiger geworden..
Jan Kuciak und Martina Kusnirova wurden Opfer von Mafia und korrupter Politik. Foto: dpa
BRATISLAVA. Es war ein kaltblütiger Auftragsmord, so viel steht aus der Sicht von Polizei und Staatsanwaltschaft fest. Heute vor einem Jahr, am 21. Februar 2018, wurden der Enthüllungsjournalist Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova in ihrem Haus im westslowakischen Dorf Velka Maca erschossen.
Kuciak hatte über Verfilzungen von Politik und zweifelhaften Unternehmern geschrieben. Seine erst nach dem Mord veröffentlichte letzte Reportage über die Verbindungen mutmaßlicher italienischer Mafia-Clans zu slowakischen Regierungspolitikern löste Massendemonstrationen aus, die zum Rücktritt der vom sozialdemokratischen Langzeit-Premier Robert Fico geführten Regierung führten.
Doch nicht nur diese Rücktritte von Männern, die sich jahrelang allmächtig wähnten, sei ein wichtiger Erfolg, sagt Arpad Soltesz, Leiter des nach dem Ermordeten benannten und zur Fortführung seiner Arbeit gegründeten "Jan-Kuciak-Investigativzentrums" (ICJK). Eine bedeutende Veränderung zum Besseren sei, dass Polizei und Justiz auch dank internationaler Aufmerksamkeit unabhängig arbeiten könnten und dadurch in der slowakischen Öffentlichkeit deutlich an Vertrauen gewonnen hätten, sagt der erfahrene Journalist.
"Während wir fast überall sonst in der Welt eine Vertrauenskrise gegenüber den Medien sehen, hat in der Slowakei die Arbeit der Journalisten gerade nach dem Mord an Zustimmung und Vertrauen gewonnen", ergänzt Soltesz. Die Medien stehen aber auch in der Kritik: Tag für Tag veröffentlichen Zeitungen und Internetportale unbestätigte Informationen aus den Verhörprotokollen der Verdächtigen des Mordfalls, die eigentlich geheim bleiben sollten, um die weiteren Ermittlungen nicht zu gefährden, wie die Staatsanwaltschaft fordert. Soltesz sagt, dass die Journalistenszene uneins über diese Veröffentlichungen sei. Doch sei dadurch zumindest garantiert, dass Hinweise nicht mehr verloren gehen würden. In der Vergangenheit seien Korruptionsskandale ungesühnt geblieben, weil es keine kontrollierende Öffentlichkeit gegeben habe.
Ganz anders sieht das Lubos Blaha, der für die regierenden Sozialdemokraten den europapolitischen Ausschuss des slowakischen Parlaments leitet. Es sei kein Zufall, dass sich Staranwälte wie der ehemalige konservative Justiz- und Innenminister Daniel Lipsic angeboten hätten, die keineswegs finanzkräftigen Familien der Mordopfer zu vertreten. Wer als Anwalt Einsicht in alle Akten und Vernehmungsprotokolle habe, könne die Medien mit selektiven Informationen füttern und dadurch die öffentliche Meinung lenken.
"Im Unterschied zu typischen westlichen Demokratien gibt es bei uns keine linken Medien. Alle Medien gehören wohlhabenden Eigentümern oder ausländischen Konzernen", beklagt sich der Sozialdemokrat. In dieser Medienlandschaft sei die von der Polizei nur vorübergehend verfolgte Spur zur italienischen Mafia so aufgebauscht worden, dass der Eindruck entstanden sei, die Regierung stehe hinter dem Mord. Inzwischen sitzen wegen des Journalistenmordes drei Männer und eine Frau im Gefängnis: der mutmaßliche Mörder Tomas Sz., sein Fahrer Miroslav M., die direkte Auftraggeberin Alena Zs. und ein weiterer Komplize Zoltan A., der offenbar als einziger geständig ist. An die Medien sickern seit Monaten Gerüchte durch, wonach der Komplize auch den eigentlichen Auftraggeber längst genannt haben soll, den inzwischen wegen eines vom Mord unabhängigen Betrugsvorwurfs im Gefängnis sitzenden Unternehmer Marian Kocner.
Der hatte Kuciak vor dessen Ermordung gedroht. Allerdings nicht mit Gewalt, sondern damit, dass er gegen ihn und seine Familie ebenso viel Diskreditierendes sammeln wolle, wie dieser über ihn veröffentliche. Eine Strafanzeige, die Kuciak wegen dieser Drohung erstattete, wurde von der Polizei liegen gelassen. Nach Kocners Verhaftung wurde bekannt, dass er tatsächlich über mehrere Journalisten und Politiker vertrauliche Informationen sammelte und sie bespitzeln ließ – vielleicht in der Absicht, sie erpressen zu können.