von Andreas Hirsbrunner - bz 22.4.2020
Noch ein Jahr verkehrt das vertraute Waldenburgerli im heimischen Tal, dann geht es ab in die Slowakei.
© Juri Junkov
Das Waldenburgerli verkehrt nicht mehr allzu lange im heimischen Tal. Die BLT hat alles Rollmaterial für 80000 Franken an die Schwarzgranbahn verkauft. Diese holt es in einem Jahr ab.
Es ist nicht auszuschliessen, dass in nächster Zeit Gemeinden aus dem Waldenburgertal ganz neue Partnerschaften eingehen. Und zwar mit Dörfern aus dem Herzen der Slowakei am Südwestrand der Karpaten mit Namen wie Cierny Balog, Hronec oder Chvatimech. Denn diese Orte werden in ein paar Jahren durch jenes Verkehrsmittel verbunden, das in den letzten Jahrzehnten das Waldenburgertal prägte – das charakteristische rot-weisse Waldenburgerli.
Ein slowakisches Fachmedium aus der Welt des Verkehrs berichtete vor wenigen Tagen, dass das Unternehmen
Ciernohronska zeleznica, kurz CHZ genannt, die sieben Trieb- und zehn Steuerwagen der Waldenburgerbahn (WB) für 80000 Franken gekauft habe. Der Vertrag mit der Baselland Transport AG (BLT) sei am 3. April unterzeichnet worden. «Das stimmt», bestätigt ein ziemlich überraschter Fredi Schödler, bei der BLT stellvertretender Direktor. Die BLT hat den Handel noch nicht öffentlich gemacht.
Ein Unikum: Die Bahn fährt durchs Fussballstadion
Schödler, der bei den Verkaufsverhandlungen beteiligt war, erzählt, dass auf die Ausschreibung des WB-Rollmaterials fünf Anfragen aus der halben Welt eingegangen seien, unter anderen aus Madagaskar. Am meisten habe aber das Angebot aus der Slowakei überzeugt: «Es klang am plausibelsten, und wir haben den Eindruck, dass sie das Waldenburgerli wirklich auch einsetzen wollen.»
Die Geschichte der Schwarzgranbahn – so heisst die Bahnlinie auf Deutsch, auf der künftig das Waldenburgerli verkehren soll – hat Parallelen zur WB-Vergangenheit, ist aber noch eine Spur schillernder. Die Planung der Bahn begann vor 122 Jahren noch unter ungarischem Regime, 1909 wurde das erste Teilstück in Betrieb genommen. Es verband zwei Sägewerke miteinander, später kamen weitere Teilstücke dazu, um Holz aus dem waldreichen Gebiet abzutransportieren. Die Schwarzgranbahn gilt deshalb als Waldbahn, wie es sie früher in Europa zu Dutzenden gab. Erst ab 1927 wurde auch der Personenverkehr auf einem Teil der 16 Kilometer langen Stammlinie aufgenommen.
Die Parallele zur WB besteht im Dampfbetrieb, der teils bis heute aufrechterhalten wird. 1982 erlitt die Schmalspurbahn aber einen radikalen Schnitt: Sie wurde stillgelegt. Dank des Einsatzes von Bahnfreaks wurden später Teilstrecken der nunmehr als nationales Kulturdenkmal geltenden Schwarzgranbahn wieder in Betrieb genommen.
Der Bahnunterbruch führte zu einem wahrscheinlich weltweiten Unikum: In Cierny Balog fährt die Dampfbahn heute – auch während der Spiele – durch ein Fussballstadion; die Schienen trennen Rasen und Tribüne. Das Stadion wurde während der bahnlosen Zeit wahrscheinlich in der Meinung gebaut, dass hier nie mehr ein Zug verkehrt.
Jetzt soll die Schwarzgranbahn elektrifiziert werden. Ales Bilek, Direktor von CHZ, rechnet damit, dass die WB am 1. Mai 2025 zu ihrer slowakischen Jungfernfahrt kommt. Er meint begeistert: «Das ist eine grosse Chance für unsere Bahn, aber auch für die ganze Region. Wir sind glücklich, dass wir die Ausschreibung gewannen.» Bilek fügt an, dass der öV mit der WB das Leben der lokalen Bevölkerung erleichtern werde.
Verfügbar ist das WB-Rollmaterial in einem Jahr. Am 6. April 2021 werde die heutige Schmalspur-WB aus dem Betrieb genommen, sagt Schödler. Ab Dezember 2022 verkehrt dann die neue Meter-Spur-Bahn. Wie die WB in die Slowakei gelange, sei das Problem der CHZ, denn der Verkauf erfolge ab Platz, so Schödler. Auch Weichenmaterial habe man mittlerweile für «ein paar 10000 Franken» an die österreichische Zillertalbahn verkaufen können.