wirtschaftsblatt.at / 28.08.2012, von Sissi Eigruber
Slowakische Gesetzesnovelle ermöglicht Grossaufträge ohne Ausschreibung
Slowakei. Eine Gesetzesnovelle in der Slowakei soll künftig die Vergabe von bestimmten Aufträgen ohne Ausschreibung ermöglichen. Experten schlagen Alarm.
Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge werden geändert
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Bratislava. Der slowakische Innenminister Robert Kalinak hat einen Entwurf für die Änderung des Vergabegesetzes vorgelegt, der künftig die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Wert von mehr als zehn Millionen ohne Ausschreibung ermöglichen soll. Die neue Regelung soll -sofern sie vom Parlament beschlossen wird -ab Anfang Jänner 2013 für sogenannte "strategische Aufträge" gelten.
Definiert werden diese Aufträge unter anderem dadurch, dass der Auftragswert über zehn Millionen (ohne Umsatzsteuer) liegt, die Vergabe im öffentlichen Interesse sein muss und der Ausschreibungsgegenstand nicht allgemein am Markt erhältlich ist, sondern auf bestimmte Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmt sein muss. "Viele Grossprojekte sind in der Vergangenheit nur deshalb eingeschlafen, weil sich Firmen beworben haben, die weder ein seriöses Interesse hatten noch die Voraussetzungen erfüllten", kommentiert der Innenminister laut der Wirtschaftszeitung "Hospodarske noviny" das Vorhaben.
Ein Angebot genügt
Mit der Novelle soll auch eine neue Verfahrensart eingeführt werden. Im Zuge dieses Verhandlungsverfahrens kann der Auftraggeber selbst auf Basis einer Marktanalyse geeignete Auftragnehmer ermitteln und sie zur Angebotsabgabe auffordern. Allerdings wurde dafür keine Mindestanzahl für die Einholung von Angeboten festgelegt. Damit könnte ein Auftrag also freihändig an ein bestimmtes Unternehmen vergeben werden, meinen Rechtsexperten. Das finale Angebot wird dann zwar von einer speziellen Angebotsbewertungskommission geprüft, deren Zusammensetzung wird -auf Vorschlag des Auftraggebers-allerdings durch die Regierung bestimmt.
Neu wäre laut Novelle auch der sogenannte Referenzvorschlag. Damit können Unternehmen von sich aus der öffentlichen Hand etwas anbieten und so ein Vergabeverfahren ohne öffentliche Ausschreibung in Gang setzen.
Nicht transparent
"Die geplante Novelle sorgt in der Slowakei für Aufregung", bestätigt die staatlich zertifizierte Vergaberechtsexpertin und Wolf Theiss-Juristin Lubica Palenikova. In ihren Augen steht die Novelle im Widerspruch zum Transparenz- und Wettbewerbsgrundsatz. Zudem sind laut Vergaberichtlinien der EU öffentliche Ausschreibungen ab bestimmten Beträgen zwingend erforderlich; und zwar bei Bauaufträgen ab fünf Millionen und bei Lieferungen und Dienstleistungen ab 200.000.
Transparency International bezeichnet die geplante Novelle laut Bericht von "Hospodarske noviny" als nicht standardgemäss, denn so werde den Politikern die Möglichkeit eröffnet, befreundete Gesellschaften auszusuchen.
(WirtschaftsBlatt, Print-Ausgabe, 2012-08-28)