Die Presse, 11. August 2010
Anfang 2009 brach das Exportwunder Auto auf einen Schlag ein. Nun wird der Elektroniksektor zum neuen Wirtschaftsmotor des Landes. Die Branche fiel als einzige Quartal für Quartal mit Wachstumszahlen auf.
Bratislava. Seit es die Slowakei als unabhängigen Staat gibt, scheint ihr ökonomisches Schicksal untrennbar mit der Automobilindustrie verknüpft. Und seit die kleinen realsozialistischen Autofabriken wie BAZ mit der Wende des Jahres 1989 Markt und Sinn verloren hatten, galt der Name Volkswagen als Synonym für Erfolg oder Misserfolg der kleinen Volkswirtschaft.
Entsprechend gross war daher der Schock, als nach der für die Slowakei scheinbar ungefährlichen Finanzkrise der weltweite Nachfrageeinbruch bei Autos folgte. Auf einen Schlag brach Anfang 2009 das Exportwunder ein, und das Wirtschaftswachstum stürzte tief ins Minus ab.
Volkswagen Slovakia zahlte bitter dafür, dass der VW-Konzern gerade den slowakischen Vorzeigestandort mit der Produktion der prestigeträchtigen Luxusautos VW Touareg, Porsche Cayenne und Audi Q7 beauftragt hatte. Denn gerade diese Modelle verkauften sich am Höhepunkt der Krise schlecht. Auch Kia musste seine ehrgeizigen Expansionspläne einbremsen. Nur PSA Peugeot Citroën in Trnava schaffte dank der Produktion von sparsameren Kleinwagen das Kunststück, in der Krise Zuwächse zu erreichen.
Boom entgegen allen Trends
Den grössten Sprung machte aber gerade eine Branche, die man für ebenso krisengefährdet wie die Autowerke gehalten hatte: Die Elektronikindustrie konnte zwar das slowakische BIP-Minus 2009 nicht ins Plus drehen, fiel aber Quartal für Quartal mit Wachstumszahlen auf, während alles andere talwärts rutschte. Die allen Trends widersprechenden Daten hatten auch damit zu tun, dass die vor allem (aber nicht nur) auf TV-Bildschirme spezialisierten Elektronikwerke so neu waren, dass sich ihre Kapazitäten erst im Aufbau befanden und es nichts zu reduzieren gab.
Zum Ende der Krise ist nun die Slowakei-Tochter des südkoreanischen Konzerns Samsung erst zum grössten slowakischen Exportbetrieb und jetzt mit einem Jahresumsatz 2009 von 3,17 Mrd. Euro auch zum grössten Produktionsbetrieb im Land geworden.
Samsung: Grösste Firma im Land
Während VW Slovakia 2009 den (in absoluten Zahlen) höchsten Umsatzeinbruch aller slowakischen Firmen verzeichnete (und dennoch klare Nummer zwei blieb), verzeichnete Samsung den höchsten Umsatzzuwachs trotz Krise.
Dass die slowakische Peugeot-Tochter prozentuell einen grösseren Zugewinn verzeichnete, war ein wohl nur mit internationalen Schrottprämien erklärbares Paradoxon. In Samsungs Windschatten lauern das unter der neuen Flagge von Foxconn aus Taiwan expandierende ehemalige Sony-Werk im südwestslowakischen Nitra und AU Optronics in Trencin darauf, zu den grössten slowakischen Industriebetrieben aufzuschliessen.
In kleineren Dimensionen tragen auch Panasonic und eine Nachfolgefirma der einst stolzen tschechoslowakischen Fernseherproduktion Tesla Orava dazu bei, dass die Elektronikindustrie die Automobilerzeugung als Flaggschiff der Volkswirtschaft auszustechen beginnt. Mit der für heuer erwarteten Jahresproduktion von bis zu elf Mio. TV-Geräten ist die Slowakei weltweit auf dem Sprung zur Elektronik-Grossmacht.
Samsung hat schon den Thron der absoluten Nummer eins im Land erobert – und das, obwohl das von den slowakischen „Trend Analyses“ jährlich erstellte Ranking die beiden Samsung-Werke in Galanta und in Voderady getreu den Konzernvorgaben als zwei voneinander getrennte Firmen zählt (Nummer eins und Nummer 24 der grössten Firmen der Slowakei), während die beiden Volkswagen-Werke in Devinska Nova Ves (einem nördlichen Stadtteil von Bratislava) und in der mittelslowakischen Stadt Martin eine Einheit bilden.
Ausländische Eigentümer haben aber natürlich auch die neuen Könige der Wirtschaft. Und wie alle slowakischen Grossbetriebe gehören sie zu grossen internationalen Konzernen oder werden zumindest von diesen kontrolliert. Erst an zwanzigster Stelle (nach Umsatz) listet „Trend Analyses“ eine Firma in slowakischem Mehrheitsbesitz auf – bezeichnenderweise einen Staatsbetrieb.