Dank der Autoindustrie kommt die slowakische Wirtschaft wieder in Fahrt. Experten fordern allerdings, dass auch andere Branchen an Bedeutung gewinnen
Nachfragerückgang im Zuge der Wirtschaftskrise eingebüsst: Als weltweit grösster Pro-Kopf-Produzent von Autos ist die Slowakei soeben von Tschechien überholt worden. Und der seit den 90er-Jahren unangefochtene slowakische Exportkaiser, Volkswagen Slovakia, ist soeben vom Samsung-Werk in Galanta als grösster slowakischer Exporteur überholt worden.
Dennoch bleibt der Automobilsektor der wichtigste Antriebsmotor der slowakischen Wirtschaft: Noch immer sind drei der vier grössten Exporteure Autohersteller (Volkswagen, PSA Peugeot und Kia Slovakia). Und der Motor kommt wieder richtig in Schwung, sodass sich die Experten gegenseitig mit positiven Prognosen überbieten: Schon das vierte Quartal 2009 fiel für die slowakische Volkswirtschaft deutlich besser aus als prognostiziert. Und seit Jahresanfang gehört die Slowakei wieder zur Spitze der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der EU.
Für heuer erwartet die Nationalbank in Bratislava ein BIP-Wachstum von deutlich über drei und im kommenden Jahr schon wieder nahezu viereinhalb Prozent – nach einem Minus von 4,7 Prozent im Jahr 2009.
Allein in den ersten drei Monaten 2010 sind schon wieder um 40 Prozent mehr Autos vom Band gelaufen als ein Jahr zuvor. Zudem hat Kia in Zilina im April mit dem Bau eines zusätzlichen Motorenwerks begonnen.
VW investiert wieder
Der deutsche Volkswagen-Konzern hat neben seinen mit viel Hoffnung verbundenen neuen Family-Cars auch die vorerst wohl noch mehr prestige- als gewinnträchtige Produktion von Hybrid-Geländelimousinen an seinen Vorzeigestandort Bratislava vergeben, der um über 300 Mio. Euro ausgebaut werden soll.
Und PSA Peugeot hatte, von den Medien kaum bemerkt, das Kunststück vollbracht, sogar im Krisenjahr 2009 noch um immerhin zehn Prozent mehr Autos zu erzeugen als im Jahr 2008, in dem auch für VW und Kia die Autowelt noch in Ordnung gewesen war. Der Firma in Trnava, die schon vor der Krise auf kleinere Autos setzte, kamen die Schrottprämien in mehreren europäischen Ländern zugute. Die neu entflammte Euphorie über die Rolle als einer der modernsten Automobilstandorte der Welt lässt aber fast schon wieder jene Stimmen leiser werden, die bereits vor der Krise vor einer zu grossen Abhängigkeit von nur einer Branche gewarnt haben.
Über 20 Prozent der slowakischen Industrieproduktion ordnet das Statistikamt dem Automobilsektor zu. Jozef Uhrik, der Vorsitzende des Verbandes der Automobilindustrie, hat jüngst sogar mit einer Rechnung für Aufsehen gesorgt, wonach der Anteil sogar 37 Prozent betrage. Dem Wirtschaftsanalysten Juraj Valachy von der RZB-Tochter Tatra Banka scheint das allerdings nicht nur wegen der erstarkenden Elektronikindustrie zu hoch gegriffen: Da müsse wohl jede Produktion von Plastikteilen und Sitzbezügen mitgerechnet worden sein, die nur irgendwie mit Autos zusammenhängen. Die regierenden Sozialdemokraten fordern, dass die Dominanz der Autoindustrie geringer werden muss.
Österreicher mischen mit
Laut Patrick Sagmeister, des österreichischen Handelsdelegierten in der Slowakei, sind schon Ansätze einer Diversifizierung vorhanden, „aber noch nicht im grossen Stil“. Dabei sieht Sagmeister die eigentlich damit verbundene Herausforderung darin, „das Know-how der meist kleineren slowakischen Firmen zu steigern, statt nur Werkbank für grosse ausländische Unternehmen zu sein“. Und auch für österreichische Firmen könnte eine weiter gehende Diversifizierung der slowakischen Industrie beträchtliche Vorteile bringen.
In manchen alternativen Branchen seien die Österreicher in der Slowakei schon jetzt jeder Konkurrenz überlegen – wie beispielsweise bei Biomasse-Heizkraftwerken. Hier gibt laut Sagmeister „ die österreichische Technologie in der Slowakei klar den Ton an“.