"Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2010
Wird E-Maut nachträglich gekippt?
Es droht eine EU-Strafe, weil Konkurrenz ausgeschlossen wurde – darunter Kapsch. Der derzeitige BetreiberSkyToll nahm im ersten Quartal 2010 fast 26 Mio. Euro ein.
BRATISLAVA/WIEN. Die elektronische Maut in der Slowakei beginnt nach Plan zu funktionieren. Betreiber SkyToll nahm im ersten Quartal fast 26 Mio. Euro ein, meldet die Nachrichtenagentur Sita. Doch was geschieht mit dem System, wenn die EU-Kommission zu dem Schluss kommt, dass die Vergabe gesetzwidrig erfolgt sei?
Das französisch-slowakische Konsortium SkyToll mit dem deutschen Siemens-Konzern als technischem Partner hatte die Ausschreibung des Strassenbetreibers NDS gewonnen, obwohl sein Gebot mit 863 Mio. Euro am höchsten war. Konkurrent Slovakpass mit der italienischen Autostrade und der Grazer Firma Efkon verlangte 530, das slowakisch-schweizerische Konsortium ToSys 547, die österreichische Kapsch-Gruppe 629 Mio. Euro. SkyToll siegte, weil die Konkurrenz vom Verfahren ausgeschlossen worden war.
Ein Jahr Verspätung
Das ursprünglich für Anfang 2009 geplante System konnte erst heuer starten. Ministerpräsident Robert Fico begründete die einjährige Verschiebung mit einer notwendigen Änderung des Beschaffungsgesetzes. Paradoxerweise wollte Bratislava damit eine Hintertür schliessen, die es unterlegenen Bewerbern angeblich allzu leicht machte, Beschwerden einzubringen.
Genau das taten die Konkurrenten. Das Konsortium um Kapsch TrafficCom brachte schon im Juni 2008 eine Klage beim Kreisgericht in Bratislava ein und erhob gleichzeitig den dritten Einspruch bei der slowakischen Kartellbehörde. Kapsch TrafficCom hält die Gründe für den Ausschluss und die Entscheidungsfindung laut Vorstand Erwin Toplak „aus juristischer und sachlicher Sicht für nicht haltbar“.
Das Konsortium der Österreicher war, wie auch andere, mit der Begründung ausgeschlossen worden, die Angebote seien technisch nicht konform und die Mauteinhebung sei ineffizient. Toplaks Antwort: „Mit mehr als 140 installierten Mautsystemen in 30 Ländern weltweit wissen wir genau, welche Parameter für funktionierende Mautsysteme erforderlich sind.“
Jetzt sorgt die slowakische Tageszeitung „Sme“ für Verwirrung, indem sie von wachsendem Druck seitens der EU berichtet. Ende März waren „ergänzende Informationen“ verlangt worden – jetzt heisst es, die Kommission sei überzeugt, dass zumindest ein qualifizierter Bieter ohne zutreffende Begründung ausgeschlossen worden sei. Die Slowakei habe sich, so „Sme“, auf „technologische Unzulänglichkeiten“ und einen verdächtig niedrigen Preis berufen. Der Bewerber habe um etwa 200 Mio. Euro niedriger geboten als der spätere Sieger. Der Name des Unternehmens bleibt unerwähnt.
Laut „Sme“ hat Brüssel beide Argumente zurückgewiesen und Beweise verlangt, dass SkyToll „nicht in unangemessener Weise bevorzugt“ worden sei. Die Liste der von der EU genannten Bevorzugungen sei lang. Dazu gehöre der Wechsel des Zahlungssystems: Tickets an der Grenze statt Onboard-Einheiten. Das Verkehrsministerium in Bratislava hat, so „Sme“, eigene „technologische“ Kriterien: Das Mautsystem möge teuer erscheinen, „doch ist es auch einzigartig und von guter Qualität“.
Bratislava arbeitet an Antwort
Die EU macht die weitere Vorgangsweise von der Antwort aus Bratislava abhängig. Verkehrsminister L'ubomír Vážny muss den – laut „Sme“ neuerlichen – EU-Brief jetzt binnen eines Monats beantworten. Die Zeitung zitierte Ministeriumssprecher Stanislav Jurikovi?: „Wir sind dabei, die Antwort auf den Brief der Europäischen Kommission vorzubereiten.“ Er bestand darauf, dass der slowakische Staat keine Gesetze verletzt habe.