Neue Zürcher Zeitung, 28. Dezember 2008
Zum zehnten Geburtstag ein neues Mitglied
Die Slowakei tritt am 1. Januar der Euro-Zone bei
Der Euro-Raum wird an seinem zehnten Geburtstag, dem 1. Januar, die Slowakei als 16. Mitglied aufnehmen. Die Attraktivität der Währungsunion hat wieder zugenommen, seit die Finanzkrise in drastischer Weise die möglichen Kosten des Abseitsstehens demonstriert hat.
Ht. Brüssel, 28. Dezember
Für die Euro-Zone ist die Erweiterung fast schon ein Routinevorgang: Anfang 2007 trat ihr Slowenien bei, 2008 waren es Malta und Zypern, und am 1. Januar 2009, pünktlich zum zehnten Geburtstag der Gemeinschaftswährung, wird die Slowakei dazustossen. Damit steigt die Zahl der Euro-Staaten auf 16, und es kommt erstmals ein ehemaliger Ostblockstaat hinzu. Doch obwohl die Slowakei grösser ist als die drei letzten Neuzuzüger, ist auch ihr Beitritt für den Währungsraum quantitativ von geringer Bedeutung: Seine Bevölkerung wird hierdurch lediglich um 1,7% steigen, sein Bruttoinlandprodukt (BIP) gar nur um 0,6% (gemessen an den Daten per Anfang 2008 beziehungsweise für 2007, vgl. Tabelle).
Der ärmste Euro-Staat auf Aufholjagd
Umso grösser ist der Schritt für die Slowaken. Sie geben nicht nur ihre nationale Währung, die slowakische Krone, auf, sondern auch ihre - bereits im Vorbereitungsprozess eingeschränkte - Selbständigkeit in der Geld- und Währungspolitik. Damit gehen sie eine wirtschaftspolitische Herausforderung ein. Denn stärker noch als etwa Slowenien befindet sich die Slowakei in einem ausgeprägten wirtschaftlichen Aufholprozess: Einerseits wird sie mit einem kaufkraftbereinigten BIP pro Kopf von nur 67% des EU-Durchschnitts (2007) das ärmste Mitglied der immer heterogeneren Währungsunion sein, anderseits lag ihr BIP-Wachstum in den vergangenen Jahren stets weit über dem Durchschnitt der Euro-Zone und der EU. Mit dieser Aufholjagd ist ein Inflationsdruck verbunden, der bis vor kurzem nicht zuletzt auch durch die trendmässige Aufwertung der Krone eingedämmt wurde.
Seit der definitiven Festsetzung des Umtauschkurses der Krone gegenüber dem Euro aber sind Anpassungen des Wechselkurses nicht mehr möglich, und künftig wird die Geldpolitik nicht mehr in Bratislava gestaltet, sondern von der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt. Zwar wird die Slowakei ihren Notenbankgouverneur in den EZB-Rat, das wichtigste Entscheidungsgremium der EZB, entsenden, ebenso wie sie auch in der Euro-Gruppe, dem informellen Gremium der Finanzminister des Euro-Raums, vertreten sein wird. Doch bei der Festlegung der Geldpolitik muss die EZB den ganzen Währungsraum im Auge behalten. Für die kleine Slowakei mit ihrer überdurchschnittlichen Inflation wird der Leitzins deshalb vorerst tendenziell zu tief sein. Umso wichtiger wird es für sie, dem Teuerungsdruck auch mit einer stabilitätsorientierten Haushalts- und Lohnpolitik zu begegnen. Dass dies nicht ganz einfach ist, haben die Inflationsrekorde illustriert, die Slowenien nach seinem Euro-Zonen-Beitritt zeitweise erreicht hat.
Bereits die Erfüllung der für den Euro-Beitritt geltenden «Maastricht-Kriterien», die unter anderem die Einhaltung bestimmter Höchstwerte für die Inflation und das Haushaltsdefizit erfordern, ist unter den Bedingungen einer solchen Aufholjagd nicht einfach. Andere zentral- und osteuropäische Staaten, die wie die Slowakei 2004 der EU beigetreten sind, haben ihre ursprünglichen ehrgeizigen Pläne zur Übernahme des Euro denn auch sistiert oder zeitlich gestreckt. Litauen wiederum ist mit seinem ersten, parallel zu Slowenien angestrengten Beitrittsantrag knapp an der «Aufnahmeprüfung» gescheitert.
Welcher Staat nach der Slowakei als nächster der Euro-Zone beitreten wird und wann dies sein wird, ist deshalb ungewiss. Nur wenige der verbliebenen Aussenseiter haben derzeit ein offizielles, präzises Zieldatum. Polen nennt hierfür das Jahr 2012, Rumänien 2014. Früher Chancen hat möglicherweise ein Teil der drei baltischen Staaten, die immerhin bereits am Europäischen Wechselkursmechanismus II (WKM II) teilnehmen, an einer Art Vorhof der Währungsunion mit Bindung der Währung an den Euro (mit Schwankungs-Bandbreite). Der vierte WKM-II-Teilnehmer ist Dänemark, das aber wie Grossbritannien ein «opt-out» geniesst und deshalb nicht zur Euro-Übernahme verpflichtet ist. Würde es diesen Ausnahmestatus aufheben, würde es wohl alle Beitrittskriterien erfüllen, sagte EU-Wirtschaftskommissar Almunia kürzlich.
Die Krise macht den Euro attraktiver
Angesichts dieser Mühen der Annäherung verlor der Euro-Beitritt im Osten der EU zeitweise arg an Glanz und politischer Dringlichkeit. Erst in jüngster Zeit hat sich das Pendel wieder etwas in die Gegenrichtung bewegt, nicht nur in den neuen Mitgliedstaaten, sondern auch in den alten EU-Staaten ohne Euro (Dänemark, Grossbritannien, Schweden). Denn die Finanzkrise hat den Aussenseitern drastisch vor Augen geführt, welche Kosten ein Alleingang haben kann. Ihre Währungen gerieten zum Teil stark unter Druck, und der gerade für neue Mitgliedstaaten wichtige Zufluss ausländischer Investitionen ging zurück. Ungarn und Lettland mussten wegen Zahlungsbilanzschwierigkeiten die EU und den Internationalen Währungsfonds IMF um Beistand bitten. Selbst Dänemark konnte die Bindung seiner Währung an den Euro nur halten, indem es seine Leitzinsen weit über jenen der EZB hielt. Viele Experten gehen davon aus, dass die Märkte auch die Währungen weiterer Staaten in Europa getestet hätten, wären diese nicht bereits Teil des grossen und vergleichsweise stabilen Euro-Währungsraums.
Hat die Finanz- und Wirtschaftskrise damit die Stärken des Euro-Raums illustriert, droht sie allerdings zugleich auch dessen Achillesfersen blosszulegen. So steigt mancherorts die Versuchung, die im Stabilitätspakt fixierten Leitplanken für die weiterhin auf nationaler Ebene bestimmte Haushaltspolitik auf die leichte Schulter zu nehmen. Auch die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Euro-Staaten und das Unvermögen, diesen mit flexiblen (Arbeits-)Märkten und Strukturreformen ausreichend zu begegnen, können sich in einer Krise umso schmerzhafter bemerkbar machen. So gesehen beschert der zehnte Geburtstag der Euro-Zone nicht nur ein neues Mitglied, sondern auch die härteste Bewährungsprobe ihres noch jungen Daseins.