Welt Online, 9. Mai 2008
Slowakei darf den Euro einführen
Währungsraum könnte ab Januar 2009 wachsen
- Europäische Zentralbank äussert in ihrem Konvergenzbericht
Kritik hat.
Bratislava/Frankfurt - Die Slowakei darf zu Beginn des kommenden
Jahres den Euro einführen. Die EU-Kommission gab dem ehemaligen
Ostblockstaat grünes Licht. "Die Slowakei hat einen
hohen Grad an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht
und ist für die Einführung des Euro am 1. Januar 2009
bereit", hiess es. Der Empfehlung müssen im Juni
noch die Finanzminister der EU-Staaten zustimmen. Mit dem Beitritt
der Slowakei und ihren rund fünf Millionen Bürgern
würde der Euro-Raum auf 16 Staaten und 323 Millionen Menschen
wachsen.
Gleichzeitig gab die EU-Kommission bekannt, dass es zum ersten
Mal seit sechs Jahren in der Euro-Zone keine Defizitsünder
mehr gibt. Die Defizit-Strafverfahren gegen die Euro-Staaten
Italien und Portugal sowie gegen die nicht zur Euro-Zone gehörenden
Länder Slowakei und Tschechien seien eingestellt worden.
Alle vier Länder hätten 2007 ihre Neuverschuldung
unter die Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts
gedrückt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) äusserte in
ihrem Konvergenzreport erhebliche Bedenken, ob die Slowakei
auch die Inflationskriterien nach ihrem Beitritt dauerhaft erfüllen
könne. Derzeit liegt die Teuerungsrate mit 2,2 Prozent
unter dem Referenzwert von 3,2 Prozent. Sie könne allerdings
wegen des wirtschaftlichen Aufholprozesses, fehlenden Abwertungsmöglichkeiten
und Engpässen am Arbeitsmarkt steigen, warnten die Währungshüter
in ihrem Report.
Die EZB bemängelte überdies, wie die Regierung den
Haushalt sanieren und die Schulden in den Griff bekommen will.
Bisher sei sie nicht ehrgeizig genug gewesen. Die Meinung der
EZB ist bei der Entscheidung über die Aufnahme neuer Mitglieder
in die Währungsunion nicht bindend.
Wie schnell ein neues Euro-Mitglied in die Preisfalle tappen
kann, hat zuletzt der Fall Sloweniens gezeigt. Die kleine Republik
am Südrand der Alpen, die im vergangenen Jahr den Euro
einführte, galt lange als Musterschüler unter den
Beitrittsländern. Kurz nach der Euro-Einführung kletterte
die Inflationsrate allerdings rasant in die Höhe, auch
weil die Preise im Zuge des Währungswechsels stark stiegen.
Mittlerweile weist Slowenien mit 6,2 Prozent die höchste
Inflationsrate im Euro-Raum aus.
Entsprechend besorgt blicken viele Slowaken möglichen Teuro-Gefahren
entgegen - vor allem die sozial Schwachen. Der slowakische Durchschnittslohn
liegt derzeit bei umgerechnet 625 Euro im Monat. Premierminister
Robert Fico sagte, seine Regierung nehme die Sorge der Bevölkerung
vor einer Teuerungswelle sehr ernst. "Der Euro muss eine
Erfolgsgeschichte für alle werden", sagte er und versicherte,
dass sein Land die Kriterien des Euro-Vertrags von Maastricht
nachhaltig einhalten werde: "Wir werden mit unserer verantwortungsvollen
Wirtschafts- und Finanzpolitik fortfahren."
Der Vertrag von Maastricht nebst dem Stabilitätspakt soll
die Stabilität des Euro sichern. Danach ist nur eine Nettoneuverschuldung
von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zugelassen.
Die Staatsschulden dürfen 60 Prozent des BIP nicht übersteigen.
Fico und seine national-populistische Regierung profitieren
in erster Linie von den grundlegenden Reformen des konservativen
Vorgängerkabinetts von Mikulas Dzurinda. In dessen Ära
war unter anderem die Einheitssteuer eingeführt worden.
Diese sowie andere Anreize hatten die Slowakei in den vergangenen
Jahren zu einem der interessantesten Standorte für westliche
Investitionen gemacht. In der Slowakei werden beispielsweise
derzeit pro Kopf der Bevölkerung die meisten Autos weltweit
produziert. hjs/as