Neue Zürcher Zeitung, 8. Mai 2008
Die Slowakei soll reif für die Euro-Zone sein
Die Europäische Kommission hat den EU-Staaten die Aufnahme
der Slowakei in die Euro-Zone empfohlen, obwohl vor allem die EZB
Bedenken über die Nachhaltigkeit der Inflationsbekämpfung
hat.
Ht. Brüssel, 7. Mai
Die Slowakei erfüllt nach Einschätzung der EU-Kommission
alle Voraussetzungen für die Einführung des Euro. Deshalb
hat «Brüssel» den EU-Staaten am Mittwoch deren
Aufnahme in die Euro-Zone empfohlen. Den endgültigen Entscheid
wird im Juli der Rat der EU-Finanzminister treffen, nach einer Stellungnahme
des EU-Parlaments und einer Beratung der Staats- und Regierungschefs
am EU-Gipfel im Juni. Wird der Beitritt wie erwartet bestätigt,
wird die Slowakei als 16. Mitglied am 1. Januar 2009 zur Euro-Zone
stossen. Sie wird damit nach Slowenien, Malta und Zypern der vierte
der 2004 der EU beigetretenen Staaten sein, der die wirtschaftliche
Integration mit dem Euro krönt.
Die Slowakei habe «einen hohen Grad an dauerhafter wirtschaftlicher
Konvergenz» erreicht, hielt die Kommission fest. Gemessen
wird diese Konvergenz an den Maastricht-Kriterien, deren Einhaltung
in zwei separaten, gleichentags publizierten Konvergenz-Berichten
der Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) diskutiert
wird. Der Entscheid über die Beitrittsempfehlung aber obliegt
allein der Kommission.
Heikel war vor allem das Inflations-Kriterium. Zwar lag die slowakische
? Teuerung der Konsumentenpreise im Durchschnitt der zwölf Monate
im März mit 2,2% deutlich unter dem damaligen Referenzwert
von 3,2% (errechnet aus dem Mittel der drei EU-Staaten mit der tiefsten
Inflation, zuzüglich 1,5 Prozentpunkten). Doch die EZB und
die Brüsseler Experten verweisen darauf, dass die Teuerung
2008 gegenüber 2007 steigen (und 2009 wieder etwas sinken)
dürfte und dass es «Aufwärtsrisiken» gebe.
In den letzten Jahren hat die Slowakei die Inflation laut EZB vor
allem durch die trendmässige Aufwertung der slowakischen Krone
eingedämmt, was nach der Euro-Übernahme nicht mehr möglich
ist. Auch verweist «Frankfurt» auf einen realen Aufwertungstrend,
der sich nach Einführung des Euro in höheren Inflationsraten
äussern könnte.
Die EZB fasste diese Sachlage aber mit schärferen Worten zusammen
als die Kommission. Für die Zentralbank bestehen «erhebliche
Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz».
Die Maastricht-Kriterien aber fordern eine «anhaltende»
Preisstabilität, um einen Beitritt dank einer nur kurzfristigen
«Punktlandung» zu verhindern. Die Kommission hingegen
hielt hierzu in ihrer Pressemitteilung fest, der Abstand zum Referenzwert
werde «als ausreichend angesehen, um Sorgen über den
Anstieg der Inflation zu zerstreuen». Zugleich sagte Wirtschaftskommissar
Almunia vor den Medien, in der Substanz hätten Kommission und
EZB dieselben Bedenken. Er forderte die Slowaken denn auch dazu
auf, durch Lohndisziplin, eine ehrgeizigere Finanzpolitik und Stru ?kturreformen
die Inflation weiterhin niedrig zu halten.
Mit einem letztjährigen Staatsdefizit von 2,2% und einer Verschuldung
von 29,4% des Bruttoinlandprodukts (BIP) hat Bratislava auch das
Kriterium für die öffentlichen Finanzen (3% bzw. 60%)
eingehalten. Ebenso erfüllt sind die übrigen Kriterien:
Der durchschnittliche langfristige Zinssatz lag unter dem zulässigen
Höchstwert, die Rechtsvorschriften im monetären Bereich
sind «eurokonform», und die Slowakei nimmt schon länger
(seit Ende November 2005) als die erforderlichen zwei Jahre ohne
starke Spannungen am Wechselkursmechanismus II teil.
Vier «Defizitsünder» weniger
Ht. Die EU-Kommission hat am Mittwoch die Einstellung der
hängigen EU-Defizitverfahren gegen Italien, Portugal,
Tschechien und die Slowakei empfohlen. In allen vier Staaten
lag das Haushaltsdefizit 2007 wieder unter dem Maastricht-Referenzwert
von 3% des Bruttoinlandprodukts; in Tschechien ist dies
bereits seit 2006 der Fall. Alle vier dürften zudem
laut der Frühjahrsprognose der Kommission auch in diesem
und im nächsten Jahr unter 3% bleiben. Die Einstellung
der Verfahren muss noch vom Rat der EU-Finanzminister (Ecofin)
bestätigt werden, was als Formsache gilt. Folgt der
Ecofin der Kommission, zählt erstmals seit 2002 kein
einziges Land der Euro-Zone mehr zu den «Defizitsündern».
Weitere Verfahren laufen nur noch gegen Ungarn und Polen,
? wobei auch Warschau die Chance einer baldigen Einstellung
hat. Im Falle der Slowakei zählt die Verfahrenseinstellung
zu den Voraussetzungen für den Beitritt zur Euro-Zone.