networöd.at, 12. Januar 2008
Nur Slowakei ist bald reif für die Eurozone: Think Tank für "wirtschaftliche" Kriterien
Rascher Eintritt in Eurozone nicht nur von Vorteil
Reform für Wirtschafts- und Währungsunion nötig
Die Eurozone wird nach Einschätzung von Experten in
der näheren Zukunft kaum mehr wachsen. "Die Slowakei,
ist das einzige Land, das es noch schaffen könnte,
auf den fahrenden Zug aufzuspringen", sagte der frühere
polnische Premier- und Finanzminister und nunmehr Professor
für Volkswirtschaft an der Universität Lodz, Marek
Belka in Brüssel. Belka ist einer der Autoren eines
Berichts des Brüsseler Think Tanks Bruegel, der fordert,
über die Aufnahme neuer Mitglieder in die Eurozone
künftig nach wirtschaftlichen und nicht nach technisch-juristischen
Kriterien zu entscheiden.
Die im Stabilitätspakt festgeschriebenen Kriterien
für öffentliches Defizit, Staatsverschuldung,
Inflation und Zinssätze seien nicht für Staaten
in einem wirtschaftlichen Aufholprozess wie die neuen Mitgliedsaaten
gemacht worden, unterstrich Belka. Dieser Prozess führe
entweder zu einer Aufwertung der Währung, wie in den
Ländern mit freien Wechselkursen Tschechien, Polen,
ac Ungarn, die Slowakei und Rumänien oder zu höherer
Inflation, wie in den Ländern mit fixen Wechselkursen,
den baltischen Staaten und Bulgarien. Beides schliessen
die derzeitigen Maastricht-Kriteren für die Euro-Einführung
- geringe Inflation und stabile Wechselkurse - aus.
Nach Ansicht des Think Tanks sollte als Referenzwert für
die Preisstabilität künftig die Inflation der
Eurzone sein oder jener drei Länder, die am nächsten
an der Zielmarke von zwei Prozent liegen. Bisher darf ein
Kandidat bei der Inflationsrate allenfalls 1,5 Prozentpunkte
über dem Durchschnitt der besten Drei in der EU liegen.
Rascher Eintritt in Eurozone nicht nur von Vorteil
Laut Belka wäre es für einige neue Mitgliedstaaten
gar nicht von Vorteil, rasch in die Eurozone zu strebe,
wie etwa Estland mit rund 10 Prozent Wirtschaftswachstum
und 10 Prozent Inflation. Tallin müsste für den
Euro die Inflation senken, was jedoch hiesse auf Wachstum
zu verzichten.
Auch generell sind laut Bruegel-Chef Jean Pisani-Ferry Reformen
im Regelwerk der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion
notwendig, die grösstenteils ohne Änderung
des Stabilitätspaktes möglich wären. Unter
anderem sollte bei der Überwachung der Budgetdisziplin
das Augenmerk künftig stärker auf Verschuldung
als auf Defizit gelegt werden. Nachbesserungsbedarf sehen ac
die Experten darüber hinaus bei den notwendigen strukturellen
Reformen in der Eurozone. Die Gemeinschaftswährung
habe durch seine stabilisierende Wirkung entgegen den Erwartungen
eher anästhesierend gewirkt.
(APA/red)