Ost-West-Contact, 11.07.2007
Schwerpunkte verlagern sich
wiiw-Datenbank über ausländische Direktinvestitionen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa.
Die regionale Verteilung der FDI-Zuflüsse in diese Länder hat sich 2006 deutlich verschoben. Das ergibt das neueste Update der Datenbank über ausländische Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) in 20 Ländern Mittel-, Ost-, und Südosteuropas, das das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) Anfang Mai vorlegte. Die Daten basieren auf Statistiken zur Zahlungsbilanz und internationalen Vermögensposition, publiziert von den jeweiligen Nationalbanken.
Demnach betrug der Anteil der Zuflüsse in die NMS-8 (jene neuen Mitgliedstaaten, die der EU 2004 beitraten) an den gesamten Zuflüssen in die Region 36 Prozent (gegenüber 50 Prozent im Jahr zuvor); Südosteuropa verzeichnete einen Anteil von 27 Prozent; und die Länder der europäischen GUS 36 Prozent. Damit lagen die Anteile der letzteren Ländergruppen deutlich über dem Niveau des Vorjahres. Die Verlagerung von neuen FDI nach Osten und Südosten spiegelt die neuen Investitionsmöglichkeiten in diesen Ländern wider, nicht jedoch ein nachlassendes Interesse an den NMS-8. Die FDI-Zuflüsse in die NMS-8 waren im Jahr 2006 geringfügig niedriger als im Jahr davor; Rückgänge in einigen Ländern wurden durch Steigerungen in anderen Ländern kompensiert. Der Rückgang an FDI in drei NMS - Tschechien, Ungarn und Estland - war vorhersehbar, da der 2005 erreichte Spitzenwert grossteils auf Privatisierungen zurückzuführen war. In weiteren drei Ländern - Polen, Lettland und Litauen - erreichten die FDI-Zuflüsse einen historischen Höchststand; auch die Slowakei verzeichnete aussergewöhnlich hohe Zuflüsse.
Ein wichtiger Effekt von exportorientierten FDI ist ihr positiver Einfluss auf die Handelsbilanzen: Seit dem Jahr 2000 weisen die Handelsbilanzen von Tschechien, Ungarn und der Slowakei, in jüngerer Zeit auch von Polen, gegenüber der EU einen Überschuss auf. FDI, die Handelsüberschüsse erzeugen, können als Produktionsverlagerung im weiteren Sinne interpretiert werden. Für die Produktionserweiterung fällt die Standortsuche meist zugunsten der NMS aus. Verlagerungen von Dienstleistungen werden zwar oft von Firmen berichtet, sind jedoch kaum in der FDI-Statistik nachweisbar.
Bulgarien und Rumänien erzielten 2006 Rekordwerte an FDI-Zuflüssen. Dies ist zum Teil das Resultat von Privatisierungen, aber auch von neuen Investitionsprojekten in Finanzdienstleistungen, Handel und Immobilien. Die EU-Mitgliedschaft bedeutet einen Stabilitätsanker für Investoren, die durch verbesserte Geschäftsbedingungen und den stark steigenden Konsum angezogen werden. FDI tragen zu expandierenden Produktionskapazitäten, Effizienzsteigerungen und auch einem Rückgang der Arbeitslosigkeit bei. Die Handelsbilanzdefizite dieser Länder steigen jedoch noch an.
Die südosteuropäischen Länder des Westbalkans erhielten 2006 doppelt soviel FDI wie im Jahr zuvor. Dies ist einerseits das Resultat des steigenden Wirtschaftswachstums und des Fortschritts der Transformation, andererseits unterstützt der Kapitalzufluss auch diese Prozesse. Speziell Kroatien, Montenegro und Serbien profitierten von hohen Zuflüssen aufgrund grosser Privatisierungsprojekte, während Albanien und Bosnien-Herzegowina in dieser Hinsicht zurückblieben.
Die hohen FDI-Zuflüsse in die europäische GUS waren allein Russland zuzuschreiben, wo sich die FDI mehr als verdoppelten und laut Zahlungsbilanzstatistik 23 Milliarden Euro erreichten. Das Statistische Amt berichtet jedoch nur elf Milliarden Euro, und auch diese niedrigere Zahl könnte zu einem beträchtlichen Teil das Resultat von Zuflüssen russischen Kapitals sein, das aus dem Ausland ins Land zurückfliesst.
Ausblick: Zeichen stehen auf Expansion
Der weltweite FDI-Trend im Jahr 2007 geht in Richtung weitere Expansion. Optimismus ist auch bezüglich der mittel-, ost- und südosteuropäischen Region angebracht - wenn es auch aufgrund von privatisierungsbezogenen FDI Fluktuationen geben wird. Bulgarien und Rumänien, wie auch einige der südosteuropäischen Länder, werden höchstwahrscheinlich nicht die Resultate des Vorjahres erreichen, während Polen seine Position ausbauen könnte. Ausgehend von den Zahlungsbilanzdaten sind für Russland weitere Zunahmen wahrscheinlich. Keine nennenswerte Veränderung wird für die Entwicklung von Standortverlagerungen erwartet: vier NMS - Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei - werden weiterhin den Grossteil exportorientierter FDI erhalten, auch Rumänien wird davon zunehmend profitieren.
Die anderen Länder scheinen sich nicht zum Ziel solcher FDI zu entwickeln, Zuflüsse werden von der Entwicklung des lokalen Marktes bestimmt. Die aktiven Direktinvestitionen der mittel- und osteuropäischen Länder erhöhten sich 2006 auf fast 24 Milliarden Euro, das entspricht 41 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der grösste Teil davon kam aus den NMS-8 und Russland. Das Verhältnis zwischen den passiven und aktiven FDI wird mit fortschreitender Wirtschaftsentwicklung mehr und mehr ausgeglichen: so betrugen die aktiven FDI aus den NMS im Jahr 2002 nur vier Prozent der FDI-Zuflüsse, im Jahr 2004 bereits 13 Prozent und 2006 satte 32 Prozent. Slowenien war bereits in den letzten beiden Jahren ein Nettokapitalexporteur.