Dem Autoland Slowakei fehlen Arbeiter
Deutsche Welle, 22. Juni 2006
Die Slowakei hat einen, auch für mittelosteuropäische Verhältnisse einzigartigen Reformschwung hingelegt. Doch zunehmend spüren die Firmen einen wichtigen Mangel: Engpässe bei qualifizierten Mitarbeitern.
Verhältnismässig spät in Demokratie und Marktwirtschaft gestartet, gewann die Slowakei in den letzten Jahren mit Hilfe eines radikalen Reformprogramms Fahrt, darunter eine Einheitssteuer von 19 Prozent. Längst hat sich das kleine Bergland den Ruf eines Investorenparadieses erworben. Ausweis des Erfolgs: Gleich drei Autokonzerne bauen im Land Fabriken oder erweitern sie; am Ende will die Slowakei das Land mit der pro Kopf höchsten Autoproduktion der Welt sein.
Der koreanische Autobauer KIA, Tochter des Hyundai-Konzerns, baut im nordslowakischen Zilina sein erstes europäisches Werk, das für maximal 300.000 Fahrzeuge ausgelegt ist, anderthalb Mal so viele Autos wie KIA bislang jährlich in Europa verkauft. In Kürze soll in Zilina die Produktion beginnen. Entsprechend laufen die Einstellungs- und Bewerbungsprozeduren. Dusan Dvorak, Sprecher des slowakischen KIA-Ablegers: "Im April haben wir die Einstellungen für die erste Schicht beendet. Alles lief sauber, es gab keine grossen Probleme."
Es drohen Engpässe
Es gebe immer einzelne Positionen, die hart zu besetzen sind, meint Dvorak. Aber das sei normal. Lackierer fehlen und IT-Spezialisten, das aber ist allgemein ein Problem in der Slowakei. "Im Juni beginnen die Bewerberrunden für die zweite Schicht, und das wird der eigentliche Test. Weil PSA Peugeot auch einstellt, und Volkswagen seine Belegschaft auffrischt."
Die Slowakei ist ein kleines Land mit nur 5 Millionen Einwohnern, das gleich drei namhafte Autoherstellern attraktiv genug erschien, dort zu produzieren: Neben KIA zog die französische PSA Peugeot in Trnva im Westen des Landes eine Fabrik hoch; und Volkswagen, bereits seit den 90er Jahren am Standort tätig, überlegt, sein hochprofitables Werk bei Bratislava auszubauen. Freilich: Wenn alle gleichzeitig Fachkräfte nachfragen in einem so kleinen Land, drohen Engpässe, ahnt Jaroslaw Holecek, Personalchef bei VW Slovakia.
Kampf um die Köpf
"Wir haben einen Vorsprung von 15 Jahren im Markt, bewegen uns leichter hier als die, die erst gekommen sind", ist sich Holecek sicher. "Aber wir bezahlen jetzt auch eine Steuer dafür, dass wir hier als erster hier waren. Wir haben unsere Mitarbeiter ausgebildet. Die anderen Hersteller bedienen sich mit einigen Mitarbeitern, selbstverständlich." Der Kampf um die Köpfe hat gerade erst begonnen, sagt Miroslav Poliak von der Unternehmensberatung Amrop Jennewein in Bratislava, die alle Autohersteller berät.
"Der Zuwachs an Investitionen war in den letzten Jahren derart gross, dass wir dafür nicht genügend Arbeitskräfte bereitstellen konnten", bemängelt er. "Wenn man sich den Autosektor anschaut, dann sind Fachkräfte besonders knapp: Ingenieure, Forschung & Entwicklung, Logistik, Qualitätsmanagement, Einkauf. Aber wir haben auch Engpässe bei Personal und Finanzierung. Und da sich der Autosektor durch die grössten Investitionen auszeichnet, gibt es hier derzeit auch die grössten Probleme."
Kulturelle Unterschiede nicht unterschätzen
Was sich noch verschärften dürfte, warnt Poliak, wenn weitere Zulieferer ihren Abnehmern hinterreisen. Allein KIA folgten in einer ersten Runde gut zehn koreanische Zulieferer, die Fabriken aufbauen. Die grossen Autohersteller haben bereits reagiert; Trainee-Programme neu aufgelegt und die Mitarbeitersuche ausgeweitet; sie suchen.