Tourismus in der Slowakei: „Potenzial einer Großmacht“
Die meisten Fremdenverkehrs-Unternehmen kochen ihre eigenen Süppchen.
BRATISLAVA. „Die Slowakei hätte
das Potenzial einer Fremdenverkehrs-Großmacht, die geografische
Struktur mit wunderschönen und schneefreundlich kalten
Berglandschaften wäre ideal für den Wintertourismus“,
schwärmte Roman Weck von der „Slovakia Ski Region“
kürzlich bei einer von der Wirtschaftskammer Österreich
in Pressburg organisierten Konferenz. Doch er selbst schränkte
sogleich ein: „Aber all die Schönheit nützt
überhaupt nichts, solange im Ausland niemand weiß,
warum er hierher kommen soll.“
Staatliche Priorität
Die fast völlig fehlende internationale Vermarktung des slowakischen
Fremdenverkehrs-Potenzials wird seit Jahren beklagt –
ohne dass Konsequenzen daraus folgten. Die seit Sommer 2006
amtierende neue Regierung hat den Fremdenverkehr zumindest auf
dem Papier als eine ihrer Prioritäten festgelegt. „Was
wir an umweltschonender Infrastruktur für den Tourismus
aufbauen, wird auch dann noch da sein, wenn die Fabrikshallen
der Automobilindustrie irgendwann zu Gunsten von Standorten
mit niedrigeren Löhnen aufgelassen worden sind“,
lautet ein Leitsatz von Wirtschaftsminister L'ubomir Jahnátek.
Kaum Kooperation
Allerdings hat es sich noch kaum herumgesprochen, dass Tourismus-Unternehmen
auch dann ein gemeinsames Interesse haben, wenn sie nicht den
selben Besitzer haben. So kocht meist weiterhin jeder sein eigenes
Süppchen – und wundert sich, dass die Gäste
ausbleiben. Die Statistiken verzeichneten zwar in den vergangenen
Jahren immer wieder punktuelle Anstiege der Nächtigungszahlen,
aber bisher dämpfte dann meist schon das Folgejahr alle
Hoffnungen auf einen dauerhaften Aufwärtstrend.
Die ersten zaghaften Schritte, wenigstens innerhalb besonders
lukrativer Skiregionen Lifte, Hotels und regionales Marketing
miteinander zu koordinieren und eine gemeinsame Marke zu schaffen,
bleiben vorerst den wenigen privaten Investoren vorbehalten,
die stark genug sind, eine Region auch wirklich zu beherrschen.
Ein Musterbeispiel ist die Investorengruppe der „Slovakia
Ski Region“ in der Hohen und Niederen Tatra. Der slowakisch-tschechische
Immobilienriese J&T führt beispielhaft vor, wie sich
aus der vom gesetzlichen Naturschutz erzeugten Not auch eine
einträgliche Tugend machen lässt: J&T denke nicht
in isolierten Projekten wie dem Bau einzelner Hotels oder Lifte,
sondern plane landschaftsschonende und nachhaltige Gesamtlösungen,
wobei sie vor allem schon bestehende Bausubstanzen modernisiere,
erklärt PR-Manager MarosSy´kora der „Presse“.
In der Praxis heißt das, dass die Gruppe abgewirtschaftete
Kurhäuser in prunkvolle Wellnesshotels umwandelt. Wo sich im Kommunismus heilungs- und pflegebedürftige Kassenpatienten
auf Staatskosten in den schönsten Naturlandschaften der
Slowakei erholten, finden nun zahlungskräftige russische
und angelsächsische Geschäftsleute ihr idyllisches
Refugium.
Eine Tochterfirma von J&T gewann aber auch die Sympathien
derer, die sich den Aufenthalt in den neuen Hotels nicht leisten
können, als sie rechtzeitig vor Beginn dieser Wintersaison
mit einem Aufsehen erregenden Spezialtransport durch das halbe
Land neue Kabinen für eine beliebte, aber veraltete Standseilbahn
in die Hohe Tatra brachte.
Modernes zum alten Preis
Das Vorzeigeprojekt schlechthin für einen umwelt- und zugleich
sozialverträglichen Tourismus findet in Poprad seine Bewunderer
aus aller Welt: In einem Joint Venture mit der Stadtverwaltung
hat ein britisch-tschechischer Investor das desolate städtische
Hallenbad mit Thermalquelle in die „Aquacity“ verwandelt.
Deren modernisierter Kern steht der Öffentlichkeit zum
alten Preis zur Verfügung. Gegen Aufpreis bekommt man aber
auch Zugang zu einer nach dem Niedrigenergieprinzip arbeitenden
Kombination aus Therapiezentrum und Freizeitpark.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2008)