Kurier, 30. Oktober 2011
Slowakei steht emotionaler Wahlkampf bevor
Die Blockadehaltung der slowakischen SaS gegen den Euro-Rettungsschirm findet bei jungen Slowaken Zuspruch. Ein perfekter Start in den Wahlkampf.
Schrecklich nette Politik: Robert Fico (l.) will zurück an die Macht und Premierministerin Iveta Radicova (M.) hat die Politik satt – auch wegen Koalitionspartner Mikulas Dzurinda (r.), der ihr Fallen stellt, wo es geht.
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Manchmal zahlt es sich auch für Politiker aus, so richtig bockig zu sein. Eben erst hat Richard Sulik mit seinem halsstarrigen Widerstand gegen den Euro-Rettungsschirm die Regierung in Bratislava zu Fall gebracht. Doch die Slowaken nehmen das dem Wirtschaftsliberalen keineswegs übel, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Derzeit sind Sulik und seine SaS ("Freiheit und Solidarität") drauf und dran, die stärkste unter den bisherigen Regierungsparteien zu werden. Vor allem bei jungen Slowaken ist Sulik populär. Auf Facebook hat er längst den Status eines politischen Robin Hood.
Ein perfekter Start in einen Wahlkampf, in den die slowakische Politik nach dem Sturz der Regierung geschlittert ist. Für das Frühjahr sind vorgezogene Parlamentswahlen anberaumt. Ein Schock für das Land, in dem Politik bisher ganz brav und ordentlich im Vierjahresrhythmus abgehandelt wurde. Die politischen Karten werden jetzt in rasendem Tempo neu gemischt.
Radicova will sich aus Politik zurückziehen
Den ersten Knalleffekt lieferte schon in der Vorwoche Premierministerin Iveta Radicova. Kaum hatte sie beim EU-Gipfel in Brüssel die slowakische Position durchgeboxt - keine Zahlungen aus Bratislava für den EU-Rettungsschirm -, kündigte sie ihren Abschied an.
Zwar wird Radicova bis zu den Wahlen die provisorische Regierung führen, danach aber will sich die Soziologin ganz aus der Politik zurückziehen. So recht glauben wollen ihr das in Bratislava nur wenige: Man spekuliert über eine Kandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl.
Dzurinda
Nicht gerade traurig über den Abgang seiner Regierungschefin scheint Außenminister Mikulas Dzurinda. Ehemals selbst Premier, galt Dzurinda immer als der Drahtzieher hinter den Kulissen der Regierung, der Radicova oft ausmanövrierte. Sie würde sich wohl "emotional und psychisch in einem Ausnahmezustand befinden", kommentierte er spitz den Rücktritt.
Dzurinda will selbst zurück an die Macht. Allzu gute Karten hat er momentan allerdings nicht. Das Mitte-Rechts-Bündnis der nun gestürzten Regierung ist politisch auseinander gedriftet, persönlich pflegt man eher Feindschaften als Partnerschaften.
Robert Fico, Chef der linkspopulistischen SMER, hat schon mit der Partnersuche unter den bisherigen Regierungsparteien begonnen. Vorerst werden solche Avancen natürlich von allen demonstrativ zurückgewiesen, am allermeisten von Dzurinda selbst. "Ein großer Fehler, der nur uns helfen wird", gibt sich Fico selbstbewusst.
Klar ist: Der SMER-Chef liegt zwar in allen Umfragen uneinholbar in Führung, wird aber einen Koalitionspartner brauchen - und das wird mühsam. Denn die nationalistischen Parteien, mit denen er seine letzte Regierung aufgefüllt hat, sind nicht nur politisch untragbar, sondern auch in Umfragen derzeit chancenlos. In Bratislava rechnet man jedenfalls mit einem Aufbrechen des linken wie auch des rechten politischen Lagers - und danach mit einer großen Koalition. Bis dahin gibt es in der slowakischen Politik Stillstand und Grabenkämpfe, jeder gegen jeden.