Neue Zürcher Zeitung, 13. August 2010
Slowakei verweigert Solidarität mit der EU
Nein zur Griechenlandhilfe verärgert Brüssel
Die Slowakei will nicht die Zeche für finanzpolitische Disziplinlosigkeit zahlen und verweigert die Finanzhilfe für Griechenland. Brüssel ist verärgert über den Solidaritätsbruch.
flü. Leba (Polen) · «Wenn es um die Solidarität von Armen mit Reichen und Verantwortungsvollen mit Verantwortungslosen geht, dann sehe ich das nicht als Solidarität», verteidigte der slowakische Finanzminister Ivan Miklos am Donnerstag den Parlamentsbeschluss vom Vortag, bei den bilateralen Finanzhilfen für das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland nicht mitzumachen. Der slowakische Nationalrat hatte sich mit 69 zu 2 Stimmen gegen eine Beteiligung mit rund 800 Millionen Euro an der Griechenlandhilfe entschieden.
Er sei stolz darauf, dass die Slowakei gezeigt habe, dass es auch anders gehe, sagte Parlamentspräsident Richard Sulik von der liberalen Partei «Freiheit und Solidarität» (SaS) nach der Abstimmung. Die viel ärmere Slowakei solle nicht die Zeche für die undisziplinierte Haushaltspolitik Griechenlands bezahlen, hatten slowakische Regierungspolitiker zuvor wiederholt argumentiert.
Die Regierung unter der Soziologieprofessorin Iveta Radicova hat die Gesundung der eigenen Staatsfinanzen in ihrem erst am Mittwoch vom Nationalrat bestätigten Regierungsprogramm zur Priorität erklärt. Mit umstrittenen Einsparungen z. B. durch die Entlassung von 20 000 Beamten und einem Baustopp für Autobahnen will sie das Budgetdefizit schnellstmöglich auf die in den Maastricht-Kriterien vorgegebenen 3 Prozent des BIP senken. Am eigentlichen Euro-Stabilisierungs-Pakt (EFSF) allerdings will sich Bratislava beteiligen, wie der Nationalrat bereits beschlossen hat. Die neue Regierungskoalition hatte sich bereits Mitte Juli für entsprechende Verpflichtungen entschieden.
EU erwartet Reaktion
win. Brüssel · Die Brüsseler EU-Kommission hat noch am Mittwochabend in einem Communiqué mit Enttäuschung auf den Entscheid des slowakischen Parlaments reagiert. Der zuständige Kommissar, Olli Rehn, unterstrich, dies sei ein Bruch nicht nur einer Zusage aus Bratislava, sondern auch des Solidaritätsgedankens, welcher der Euro-Zone zugrunde liege. Er könne den Entscheid nur bedauern und erwarte, dass sowohl die Euro-Gruppe als auch der Finanzministerrat an ihren nächsten Treffen auf die Sache zurückkämen.
Rehn wiederholt das alte Argument, wonach das Rettungspaket für Griechenland nicht in erster Linie zur Stützung des Athener Staatshaushalts geschnürt worden sei, sondern zur Stabilisierung des Euro, also jener Währung, die auch die Slowakei benutzt. Er weist damit auf die Inkonsequenz hin, dass das slowakische Parlament zwar seinen Anteil am Rettungspaket für Griechenland verweigerte, aber den viel umfangreicheren Beitrag an den gesamten Rettungsschirm für den Euro guthiess.
Politischer Flurschaden
In Gesprächen hinter den Kulissen wird deutlich, dass man in Brüssel über das Verhalten der neuen Regierung in Bratislava zutiefst verärgert ist. Es handle sich um einen einmaligen Vorgang, bei dem eine Zusage einer Regierung von der Nachfolgeregierung vorsätzlich und gezielt hintertrieben worden sei. Anders als bei Referenden, in denen sich ein Stimmvolk durchaus gegen die Regierung aussprechen könne, habe die Führung in Bratislava mit dem Solidaritätsbruch Wahlkampf getrieben. Sie könne sich darum jetzt nicht mit einer Niederlage im Parlament herausreden.
Konkrete finanzielle Auswirkungen wird der Entscheid wohl nicht haben, weder für das 110 Milliarden Euro schwere Griechenland-Rettungspaket von EU und IMF noch für den weiteren Bezug Bratislavas von Subventionen oder Strukturhilfe der EU. Für solche finanziellen Sanktionen gibt es in diesem Fall keine Rechtsgrundlage. Politisch hingegen dürfte der Flurschaden beträchtlich sein. Die Partner Bratislavas in der Euro-Gruppe und in den EU-Ministerräten werden der Slowakei für längere Zeit unter die Nase reiben, dass Solidarität nur einfordern kann, wer auch bereit ist, im Notfall zu geben. Sollte Bratislava selber in Nöte geraten, würde man in Brüssel sicherlich kaum rasch zu Hilfe eilen wollen.