Neue Zürcher Zeitung, 4. Februar 2010
Slowakische Scharmützel
Der Oppositionsführer Dzurinda nach einem Skandal politisch am Ende
Die Partei des slowakischen Ministerpräsidenten Fico hat mit der Aufdeckung eines Skandals um die Finanzierung der oppositionellen Christlichdemokraten den Niedergang von deren Chef Dzurinda bewirkt. Das könnte jedoch zum Bumerang werden.
ruh. Prag · Der slowakische Ministerpräsident Fico hat Informationen an die Öffentlichkeit gebracht, aus denen hervorgeht, dass die Slowakische Demokratische und Christliche Union (SDKU) des früheren Regierungschefs Dzurinda während ihrer Zeit an der Macht mit hoher Wahrscheinlichkeit Gelder aus Privatisierungen veruntreut und über komplizierte Konstruktionen von Briefkastenfirmen in die eigenen Taschen geleitet hat. Fico fütterte die Medien in kalkulierten Portionen mit Details der Geschichte und brachte Dzurinda zunehmend unter Druck.
Diesem gab der Chef der grössten Oppositionspartei am Montag nach und erklärte, in den Parlamentswahlen vom Juni nicht mehr zu kandidieren. Auf den ersten Blick gelang Fico damit ein spektakulärer Schlag: Nicht nur vermochte er, die SDKU zu Beginn der anlaufenden Kampagne zu den Wahlen von Mitte Juni in ein Schlamassel zu stürzen, sondern gleichzeitig entzog er ihr auch die moralische Grundlage, gegen Skandale der Parteien, die in der Regierungskoalition vertreten sind, zu wettern. An solchen Affären herrscht nämlich ebenfalls kein Mangel.
Mit Dzurinda verlässt ein Mann die höchste slowakische Politik, der sich ungeachtet dubioser Praktiken, wie sie in allen ostmitteleuropäischen Transformationsländern von Parteien aller Couleur bekannt sind, um den jungen Staat Slowakei äusserst verdient gemacht hat. Über zwei Amtsperioden an der Regierungsspitze transformierte er das Land, das in den neunziger Jahren unter dem autoritären Führer Meciar ins europäische Abseits geschlittert war, mit vielen nötigen, teilweise harten und kaum je populären Reformen zum Musterschüler des Systemwechsels.
Indes hat der christlichdemokratische Politiker es verpasst, nach der Wahlniederlage von 2006 einen guten Moment zum Rückzug zu wählen. Dieser Schritt ist ihm nun aufgezwungen worden. Paradoxerweise könnte für Fico der jetzige Erfolg aber zum Bumerang werden, und zwar nicht nur, weil er sich eines Gegners entledigte, der ihm kaum wirklich gefährlich geworden wäre. Ein Zeitungskommentator bemerkte, der Weg sei nun frei für eine umfassende Diskussion zu politischen Themen, zur Kritik der Macht und zum Sumpf nicht nur bei der SDKU, sondern auch bei den Regierenden. Ein anderer stellte hingegen ernüchtert fest, das Volk habe nur zwei Typen von Politikern zur Auswahl: solche, die Dreck am Stecken hätten, aber wenigstens etwas könnten, und solche, die Dreck am Stecken hätten und nichts könnten.