Archiv - Politik / Gesellschaft
Deutschlandfunk, 23. Juli 2007
Mehr Rechte für Arbeitnehmer
Neues Gesetz in der Slowakei
Das slowakische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das die Rechte der Arbeiter stärkt. Unter anderem wurden Kündigungsfristen verlängert und Abfindungszahlungen vereinbart. Die Gewerkschaften hoffen, dass sich damit die Wohlstandslücke zum Westen Europas ein Stück weit schließt. Kilian Kirchgeßner berichtet.
Es ist vor allem Erleichterung, die sich im slowakischen Parlament entlädt. Der Applaus gilt dem neuen Arbeitsgesetz, das die Abgeordneten gerade verabschiedet haben. Über Monate hinweg wurde hinter den Kulissen heftig darüber gestritten. Mehr Rechte für Arbeitnehmer - das ist der Kern der Regelung, die deshalb vor allem bei den Gewerkschaften gut ankommt.
"Im alten Gesetz wurden viele unternehmerische Risiken auf die Arbeiter abgewälzt"
sagt Stanislav Tarnovsky von der Metall-Gewerkschaft.
"Die Kündigungsfristen waren kurz, viele haben einen befristeten Arbeitsvertrag nach dem anderen schließen müssen oder wurden gleich in die Scheinselbstständigkeit getrieben. Auch Mitbestimmungsrechte gab es so gut wie nicht. Damit ist jetzt endlich Schluss, künftig gibt es längere Kündigungsfristen und auch Abfindungszahlungen."
Stanislav Tarnovsky ist der Mann, der das neue Arbeitsgesetz entscheidend geprägt hat. Er saß für die Gewerkschaften am Verhandlungstisch, als die Regelungen diskutiert wurden. Die kräftige Figur des 58-Jährigen erinnert an die Zeiten, als er selbst noch Industriearbeiter war. Inzwischen ist Tarnovsky zum Verhandlungsführer geworden. Ihn schickt der slowakische Gewerkschaftsbund immer dann an den Runden Tisch, wenn es aus seiner Sicht besonders kritisch wird. Das kam gerade in den vergangenen Jahren häufig vor: Unter dem früheren Regierungschef Mikulas Dzurinda schlug die Slowakei einen neoliberalen Wirtschaftskurs ein. Die Gewerkschaften hätten kaum noch Gehör gefunden, sagt Tarnovsky. Das Schlagwort von der Flexibilität sei stattdessen zum Dogma erhoben worden.
"Wenn jemand Flexibilität will, ist uns sofort klar, dass es wieder einmal auf Kosten der Arbeitnehmer geht. Unter der alten Regierung haben wir uns darauf eingestellt, mit den Gesetzen so gut wie möglich zu überleben und auf ein günstigeres politisches Klima zu warten."
Das kam im vergangenen Jahr. Der Linkspopulist Robert Fico wurde neuer Regierungschef - ein erklärter Gewerkschaftsfreund, der denn auch gleich die Novelle des Arbeitsgesetzes zur Chefsache gemacht hat. Nach dem Beschluss im Parlament äußerte sich Fico voller Stolz.
"Endlich haben wir in der Slowakei ein modernes Arbeitsgesetz, das den üblichen Regeln und Vorstellungen in der Europäischen Union entspricht."
Die Regierung in Bratislava bricht damit ein bislang ungeschriebenes Gesetz: Die neuen EU-Länder im Osten haben sich auf der Jagd nach Investoren stets gegenseitig unterboten - beim Steuersatz und eben auch bei den sozialen Standards. Das Kalkül, so scheint es, ging im Fall der Slowakei auch auf: Die Wirtschaft wächst um mehr als sechs Prozent pro Jahr, die Arbeitslosigkeit sinkt. Genau deshalb wollen die Unternehmer an den Arbeitsgesetzen am liebsten gar nichts ändern. Der Generalsekretär des slowakischen Arbeitgeberverbandes, Martin Hostak, argumentiert mit dem Blick nach Westen.
"Schauen wir uns doch an, welche Probleme die Franzosen oder auch die Deutschen mit ihren strengen Arbeitsgesetzen haben. Dort wächst die Wirtschaft minimal. Nur weil es der Westen ist, müssen diese Länder doch nicht automatisch unsere Vorbilder sein. Wir können es uns hier in der Slowakei einfach nicht leisten, ein aufgeblähtes Sozialsystem und einen undurchdringlichen Arbeitsmarkt zu haben."
Die Gewerkschaften halten dagegen. Weil die Wirtschaft schon seit Jahren boomt, sei es höchste Zeit, den neuen Wohlstand des Landes auch an die Arbeiter weiterzugeben, sagt Stanislav Tarnovsky.
"Viele Arbeitgeber denken immer noch, dass arbeitsrechtliche Regelungen ein Instrument aus dem Sozialismus seien. Manche stellen sich den Arbeitsmarkt so vor wie in alten Filmen, wo morgens 300 Männer vor der Fabrik stehen. Der Chef lässt dann so viele rein, wie er gerade an diesem Tag braucht. Und die anderen schickt er wieder nach Hause."
An die Drohungen der Arbeitgeber, dass sie dann künftig eben in Bulgarien und in Rumänien produzieren, glaubt man bei den Gewerkschaften nicht. Immerhin lägen die Lohnkosten im Land noch achtmal niedriger als im Westen, sagt Gewerkschaftsmann Tarnovsky, das allein gebe meistens den Ausschlag.
Das Arbeitsgesetz ist doch für die Investoren so wie die Kirsche auf einer Torte, fügt er dann hinzu: Es ist für sie nur eine Dekoration, es ist nichts wirklich Entscheidendes.