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Mo Jun 19, 2006 7:51 MESZ
Höhenflug der antireformerischen Smer-Partei in der Slowakei
Bratislava (Reuters) - Nach seinem Wahlsieg soll der sozialdemokratische Politiker Robert Fico die neue Regierung der Slowakei bilden.
Präsident Ivan Gasparovic kündigte am Montag an, den Chef der reformfeindlichen Smer-Partei am Dienstag mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Die linke Smer hatte die Wahlen vom Wochenende gewonnen, benötigt jedoch für eine Mehrheit im Parlament Koalitionspartner. Fico teilte mit, bereits Sondierungsgespräche mit anderen Parteien aufgenommen zu haben. Zudem bekräftigte er eine Abkehr vom bisherigen Regierungskurs der Wirtschaftsreformen. Sollte es Fico nicht gelingen, eine Koalition zu bilden, könnte der langjährige Regierungschef Mikulas Dzurinda in einer Koalition von Mitte-rechts-Parteien im Amt bleiben. Dzurindas Partei wurde zweitstärkste Kraft.
Nach Einschätzung von Beobachtern dürfte die Suche nach Koalitionspartnern ein langwieriges Unterfangen werden. Der 41-jährige Rechtsanwalt Fico will eher mit den gemäßigten Parteien des Mitte-rechts-Lagers als mit den rechtsextremen Nationalisten koalieren, die drittstärkste Kraft in dem jungen EU-Land wurden.
Nach einem Treffen mit Gasparovic äußerte sich Fico am Montag zum geplanten Regierungskurs. Bei seinem Gespräch mit dem Präsidenten habe er mehrere Bedingungen genannt, die seine Partei in den Koalitionsgesprächen nicht aufgeben werde, sagte er. So wolle er das geltende System des Einheitssteuersatzes aufbrechen. In der Slowakei betragen Einkommen-, Unternehmens- und Mehrwertsteuer seit 2004 durchgängig 19 Prozent. Fico signalisierte eine geringere Besteuerung von Grundnahrungsmitteln und Energie. "Außerdem werden wir die erniedrigenden Gebühren für Arztbesuche abschaffen", sagte Fico. Bereits vor der Wahl hatte er angekündigt, zahlreiche marktliberale Reformen der Vorgängerregierung rückgängig zu machen und beispielsweise große Firmen und Besserverdiener höher zu besteuern. Der Regierungskurs Dzurindas war der Wirtschaftsentwicklung des Landes zu Gute gekommen - die Slowakei hat ein kräftiges Wirtschaftswachstum von 6,1 Prozent und gilt als attraktiv für Investoren. Für die einfache Bevölkerung stellten die Reformen jedoch oft eine schwere Last dar, da sich die Lebenshaltungskosten verteuerten.
Die Koalitionsgespräche dürften auch darüber entscheiden, ob das Land den Euro wie geplant 2009 einführt. Fico hatte am Sonntag den bisherigen Zeitplan zur Euro-Einführung grundsätzlich bekräftigt, die Tür für Verzögerungen jedoch offen gelassen: Falls die Einführung der Slowakei keine Vorteile bringe, sei ein neuer Zeitplan nicht ausgeschlossen. Er sprach sich zudem für eine Politik größerer Solidarität aus, die die Kluft zwischen den Bevölkerungsgruppen nach Jahren der Reform verringern soll.
Das Ergebnis der Abstimmung vom Samstag spiegelt nach Ansicht von Politikwissenschaftlern die Unzufriedenheit vieler der 5,4 Millionen Slowaken über den harten Reformkurs wider. Die Smer erreichte mit ihrem reform-feindlichen Kurs dem vorläufigen Endergebnis zufolge 29 Prozent der Stimmen, Dzurindas Partei kam auf 18 Prozent. "Die Leute brauchen bei den Reformen eine Pause", sagte Samuel Abraham, Politikwissenschaftler an der Bratislava International School for Liberal Studies. Der bisherige Regierungschef Dzurinda sagte hingegen, er werde alles dafür tun, dass die Reformen nicht rückgängig gemacht würden.
Die Slowaken hatten zum ersten Mal seit dem Beitritt ihres Landes zur Europäischen Union (EU) im Jahr 2004 ein neues Parlament gewählt. Ficos Smer-Partei wird darin 50 der 150 Plätze stellen, die konservative Partei von Dzurinda 31.