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Dzurinda bleibt unbeirrbar auf Reformkurs
Früher Beginn des Wahlkampfs in der Slowakei
Mit einem emphatischen Plädoyer für die Fortsetzung der Reformpolitik hat der slowakische Ministerpräsident Dzurinda den Wahlkampf eingeläutet. In Umfragen liegen die regierenden Bürgerlichen deutlich hinter den reformfeindlichen Linkspopulisten zurück.
U. Sd. Prag, 17. Februar 06
Es braucht derzeit einigen Mut, in der Slowakei mit Plädoyers für mehr Markt an die Öffentlichkeit zu treten die reformfeindlichen Linkspopulisten der Partei Smer (Richtung) liegen seit Monaten in allen Umfragen mit grossem Abstand an der Spitze, und ihr Vorsitzender, der 42jahrige Jurist Robert Fico, gilt als der vertrauenswürdigste Politiker des Landes. Nicht weniger als ein Drittel der Wähler über 33 Prozent sprechen sich derzeit für die Smer aus, welche die Ansicht vertritt, Dzurindas Reformen hätten die Reicher reicher und die Armen ärmer gemacht.
Dauerhafte Hochkonjunktur
Dies alles ficht Dzurinda nicht an. Der Mann, der seit bald acht Jahren bürgerlich-liberale Koalitionen dirigiert, warb am Donnerstagabend in Bratislava vor Geschäftsleuten für eine kompromisslose Weiterführung seiner oft als radikal eingestuften Sparpolitik, welche viel dazu beigetragen hat, dass die Slowakei in Europa wieder zu einem Begriff geworden ist. Massives Wirtschaftswachstum sei geradezu das Symbol der Slowakei geworden, sagte Dzurinda im Ton eines Werbeprofis. Der Regierungschef hat harte Fakten, um seinen Anspruch zu belegen. Nicht weniger als 7,5 Prozent ist die slowakische Wirtschaft im vierten Quartal 2005 expandiert, und die internationalen Investoren sind über die unternehmerfreundlichen Neuerungen im Steuer-, Gesundheits- und Sozialwesen ganz aus dem Häuschen geraten.
Diese Begeisterung wird nicht allenthalben geteilt. In den ärmeren Bevölkerungsschichten stosst man sich daran, dass Arztbesuche neuerdings zu bezahlen sind und dass strengere Sozialgesetze gelten. Die spektakuläre Einheitssteuer von 19 Prozent mag dem Land fiskalische Transparenz und Investitionen beschert haben, doch Arme empfinden sie als ungerecht. Fico hat bereits angekündigt, dass er nicht nur die Sozialabgaben drastisch anheben, sondern auch die Warenumsatzsteuer senken und den reicheren Slowaken fiskalisch weit mehr abverlangen will als bisher, falls er am 17. Juni, dem Tag, auf den die Wahlen vorverlegt worden sind, gewinnt.
Anregende Parteienvielfalt
Ob es Dzurinda ein weiteres Mal gelingen wird, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, ist angesichts des weit verbreiteten Unmuts gegen seine Reformen tatsächlich fraglich. Doch die slowakische Politik ist, anders als etwa die ungarische oder die tschechische, nicht weitgehend eine Angelegenheit von zwei etablierten Parteien, und das eröffnet dem wendigen Regierungschef zahlreiche Möglichkeiten. Nicht weniger als acht Parteien haben laut den jüngsten Umfragen Chancen, die Finanzprozenthürde zu überspringen und ins Parlament einzuziehen, und entsprechend vielfältig sind die Koalitionsmöglichkeiten.
Eine siegreiche Smer-Partei könnte natürlich mit der ebenfalls oppositionellen Bewegung für eine demokratische Slowakei des einstigen Regierungschefs Meciars - sie liegt in Umfragen mit gut 11 Prozent Zustimmung auf dem zweiten Platz - zusammenspannen. Doch ob sie das tun wird, steht noch lange nicht fest. Fico und Meciar mögen sich nicht, und die Partei des Patriarchen Meciar hat sich in den letzten Monaten zunehmend der Slowakischen Demokratischen und Christlichen Union Dzurindas zugewandt. Sie gibt sich fiskalisch weit verantwortungsvoller als Fico, der seinen Anhängern ungerührt das Blaue vom Himmel herunter verspricht.
Vielleicht zieht Fico die Kommunisten vor – er streicht den slowakischen Genossen derzeit ebenso viel Honig ums Maul wie der Prager Regierungschef Paroubek den tschechischen. Versprechen sind derzeit überhaupt eine wohlfeile Ware in der Slowakei. Dzurinda betonte am Donnerstag, eines seiner wichtigsten Anliegen sei die Bekämpfung der Korruption. Sehr glaubwürdig klingt diese Ankündigung nicht. Dafür, dass die Slowakei in den letzten Jahren nicht nur in den Ruf eines dynamischen, sondern auch in den Ruch eines korrupten Staates gekommen ist, ist der Ministerpräsident samt seinen Koalitionsparteien massgeblich mitverantwortlich.