20. Todestag von Andy Warhol: Kunst wird zum Produkt
Millionen aus der Dose
Konserven, Pop-Art und Kunst-Business: Vor 20 Jahren starb Andy Warhol, dessen bizarre Persönlichkeit und unendliche Produktivität den Kunstbetrieb entschieden geprägt hat. Seine Werke sind immer noch millionenschwer.
VON ANNA JOPKE
Andrej Warhola - Sohn eines Bauarbeiters
Andrej Warhola entstammt einem slowakisch-stämmigen, proletarischen Elternhaus und wurde 1928 im südwestamerikanischen Pittsburgh (Pennsylvania) geboren. Sein Vater, der Bauarbeiter Ondrej Warhola starb bei einem Unfall, als er 13 Jahre alt war. Dies ließ ihn eine starke Bindung zu seiner Mutter Julia Justyna Warhola eingehen. Er soll ein sensibles Kindchen gewesen sein, das mit acht einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte und den man aufgrund seiner seltenen Pigmentstörung für einen Albino hielt. Schließlich begann er zu zeichnen und zu malen, Comics zu lesen und Filme zu gucken.
Nach der High School studierte er Gebrauchsgrafik am Pittsburgher Carnegie Institut of Technology, an einer Schule, die heute Carnegie Mellon University heißt. 1949 machte er seinen Abschluss in Malerei und Design und ging nach New York. Dort jobbte er mal hier mal da, lebte sozusagen von der Hand in den Mund: Wenn er nicht gerade Obst und Gemüse verkaufte,
bot seine Dienste als Grafiker an: Zeitschriften, Werbegeschenke, sogar Kochbücher und vieles mehr. Schließlich kamen die großen Auträge für 'Vogue', 'Glamour' und 'Harper`s Bazaar'. Ende der 1950er Jahre bereits galt er als einer der erfolgreichsten Graphiker New Yorks. Damit hatte er sich in der New Yorker „Macho-Upper-Class-Kunstwelt“ (SZ vom 22. Februar) eingenistet.
Bildende Kunst und Factory Art
Entscheidend war seine erste Einzelausstellung 1952 in der New Yorker Hugo Gallery und vier Jahre später eine Ausstellung im Museum of Modern Art, allerdings immer noch als Graphiker. In den 60er Jahren dann sprang er über ins anderen Lager, in das der Bildenden Kunst. Er begann zu malen, malte Gegenstände aus der Massenproduktion, Dinge, die man in Supermärkten sieht wie die Campbell Dosen und Coca Cola Flaschen. Man darf nicht vergessen: Er war Student der Gebrauchsgraphik. „Wenn man mal darüber nachdenkt, dann sind Kaufhäuser auch eine Art von Museum,“ hatte Warhol einmal gesagt.
1962 gründet Warhol die Factory, in der Kunst nach industriellen Maßstäben, also in rauen Mengen hergestellt oder wohl eher vervielfältigt werden sollte. Seine Arbeiter waren dann eben Kunstarbeiter und die Produkte Poster und Grafiken, aber auch Gegenstände wie Schuhe. Nicht nur Kunst-, auch Filmstudio war die Factory: Hier wurden über 300 lustige Filme gedreht, darunter Pornos und viel Experimentelles. Der Film 'Sleep' beispielsweise soll sechs Stunden lang einen schlafenden Mann zeigen, 'Eat' führt jemanden vor, der eine halbe Stunde lang einen Pilz verspeist.
Das Attentat der Valerie Solanas
Dann gab es einen Vorfall, der Warhols Beziehung zur Factory veränderte. „Er hatte zu viel Kontrolle über mein Leben.“ Damit begründete die geistig verwirrte Valerie Solanas, warum sie 1968 auf Andy Warhol schoss. Die Kunstarbeiterin aus seiner Factory schoss mit einer Pistole auf Warhol und traf ihn dreimal in die Brust. Schwer verletzt überlebte Warhol das Attentat, musste aber seither ein Hüftkorsett tragen. Valerie Solanas war einziges Mitglied einer pseudo-feministischen Organisation 'Society for Cutting up Men' (Gesellschaft zur Vernichtung der Männer). In ihrem Manifest 'S.C.U.M. Manifesto' forderte Solana, die von ihrem Vater sexuell missbraucht wurde die Vernichtung aller Männer. Die Geschichte des Attentats wurde 1996 unter dem Titel 'I shot Andy Warhol' von der Regisseurin Marry Harron verfilmt.
Von da ab malte Warhol nur noch Menschen: So entstanden die Promi-Porträts - Mick Jagger, Michael Jackson, Brigitte Bardot, Yves Saint Laurent ließen sich für viel Geld von ihm porträtieren. Warhols Lieblingstechnik war der Siebdruck. Mit ihm konnte er auch seine Geschäftsidee verwirklichen, die der massenhaften maschinellen Kunstproduktion.
"Ein gutes Geschäft ist die beste Kunst"
„Geld verdienen ist Kunst, und Arbeiten ist Kunst und ein gutes Geschäft ist die beste Kunst,“ behauptet er später in seiner Schrift 'Philosophie of Andy Warhol'. Er gründet eine Zeitschrift 'Interview' und macht sogar einen Nacht-Club auf. Nicht umsonst hinterließ Warhol ein Vermögen von guten 100 Millionen Dollar. Er soll einmal gesagt haben: „Ich wünschte, ich könnte so etwas wie die Bluejeans erfinden. Etwas, damit sich die Leute an einen erinnern.“
Aus einem proletarischen Elternhaus zum Millionär aufgestiegen beschreibt Warhol mit seiner Karriere den amerikanischen Traum und entscheidet sich dabei weder richtig für das Schwimmen in der Masse noch dafür einen auf avantgardistischen Underground zu machen. In seiner 'Philosophie of Andy Warhol' fällt der Satz: „Es gefällt mir wirklich, wenn ich das richtige Ding im falschen Raum und das falsche Ding im richtigen Raum bin.“