Exporte und Privatkonsum sind die Stützen des Wachstums / Von Gerit Schulze
Bratislava (GTAI) - Mehrere große Investitionsprojekte in der Autoindustrie sorgen für einen positiven Konjunkturzyklus in der Slowakei. Ab 2018 sollen die neuen Kapazitäten in Betrieb gehen und die Exporte beflügeln. Daneben leistet der Privatkonsum dank steigender Einkommen und Beschäftigung einen wichtigen Beitrag zum Wirtschaftswachstum. Zurückhaltend sind Unternehmen und der öffentliche Sektor derzeit bei Investitionen. Auch der Bausektor hat Nachholbedarf.
Wirtschaftsentwicklung: Drei Großprojekte treiben Konjunktur an
Der Konjunkturausblick der Slowakei ist dank dreier großer Investitionsvorhaben blendend: der Bau der Jaguar-Fabrik in Nitra, die Erweiterung des VW-Werkes in Bratislava und die Errichtung einer Ringautobahn um die Hauptstadt. Zusammen mit der positiven Entwicklung des Privatkonsums sollen diese Projekte 2017 ein Wirtschaftswachstum von 3,5% ermöglichen.
Das wäre zwar unterhalb der Prognose für 2016 (3,6%), weil die slowakische Regierung infolge der Brexit-Diskussion eine leichte Abschwächung der Konjunktur bei wichtigen Handelspartnern im EU-Raum befürchtet. Mittelfristig wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aber noch stärker zulegen. Für 2018 erwartet das Institut für Finanzpolitik, das für die Wirtschaftsprognosen der Regierung zuständig ist, einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um 3,9, für 2019 um 4,4%. Der Produktionsstart bei Jaguar Land Rover und die Inbetriebnahme neuer Kapazitäten bei Volkswagen werden das Exportvolumen und den Handelsüberschuss vergrößern.
Die EU-Kommission setzt das künftige Wachstum in der Slowakei etwas niedriger an. Sie erwartet 2017 ein Plus von 3,2% und im Folgejahr von 3,8%. Doch auch damit wäre das Land 2018 die wachstumsstärkste Volkswirtschaft der EU.
Eine zunehmend wichtige Säule für den Konjunkturaufschwung ist der Privatkonsum. Fast 50.000 Jobs sind 2016 entstanden. Erstmals seit acht Jahren liegt die Erwerbslosenquote unter 10%. Das führt zu steigenden Löhnen und mehr Konsumfreude. Darum ist nach drei Jahren Deflation ab 2017 wieder mit einer Inflationsrate von 0,9% zu rechnen, die bis 2019 auf 1,9% steigen soll.
MKT201701048002.14
Angesichts der wachsenden Steuereinnahmen ist die Finanzlage des Staates außerordentlich gut. Für 2017 plant die Regierung ein Haushaltsdefizit von nur 1,3% des BIP, was dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren entspräche. Ab 2019 sollen keine neuen Schulden mehr nötig sein. Die Staatsverschuldung wird laut Finanzplanung von 53,5% des BIP (2016) auf 49,1% (2019) sinken.
Die deutschen Unternehmen in der Slowakei blicken entspannt in die Zukunft. Fast jede zweite Firma erwartet für 2017 eine Verbesserung der Geschäftslage, ergab die Herbstumfrage der Deutsch-Slowakischen Industrie- und Handelskammer in Bratislava. Ebenso viele Betriebe wollen investieren und Mitarbeiter einstellen. Kritisch äußerten sich zwei Drittel der Unternehmen zum Fachkräftemangel. Ein Drittel der Firmen sieht Risiken bei der Rechtssicherheit und durch steigende Arbeitskosten.
Körperschaftsteuer sinkt - Sondersteuern für regulierte Branchen
Auch 2017 dreht die slowakische Regierung an der Steuer- und Abgabenschraube. Allerdings in beide Richtungen. Die Körperschaftsteuer wird um einen Prozentpunkt auf 21% gesenkt. Kleinunternehmer und Selbstständige können mehr Ausgaben pauschal steuerlich geltend machen. Ab 2018 soll außerdem die Steuerlizenz entfallen, die bislang alle Unternehmen zu entrichten haben.
Dafür werden Unternehmen der sogenannten regulierten Branchen wie Energie und Telekom über sektorale Sondersteuern stärker zur Kasse gebeten. Auch auf Besserverdienende kommen ab 2017 höhere Sozialabgaben zu, da die Beitragsbemessungsgrenzen für die Krankenversicherung abgeschafft wird.
Wirtschaftliche Eckdaten der Slowakei
Indikator
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2014
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2015
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Vergleichsdaten Deutschland 2015
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BIP (nominal, Mrd. Euro)
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75,95
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78,69
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3.033
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BIP pro Kopf (Euro)
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14.010
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14.510
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37.100
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Bevölkerung (Jahresdurchschnitt, Mio.)
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5,42
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5,42
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82,2
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Quellen: Slowakisches Statistikamt, Statistisches Bundesamt
Investitionen: Ein Drittel des Zuwachses entfällt auf Jaguar-Fabrik
Das Ausnahmejahr 2015 mit einem Zuwachs der Bruttoanlageinvestitionen um 14% war 2016 nicht wiederholbar. Stattdessen stagnierte das Investitionsvolumen auf dem hohen Niveau des Vorjahres. Auch in den kommenden Jahren erwartet die Regierung nur kleinere Steigerungsraten. So sollen die Bruttoanlageinvestitionen 2017 um 4,0% zulegen. Mehr als ein Drittel davon entfällt auf den Bau der Jaguar-Fabrik. In den Folgejahren sind die Steigerungsraten geringer: 0,5% (2018) und 2,0% (2019). Die EU-Kommission geht laut ihrer Herbstprognose von besseren Zahlen aus: 4,9% (2017) und 4,3% (2018). Auf diesem Niveau würden auch die Investitionen in Ausrüstungen zulegen, heißt es in der Analyse.
Tatsächlich reißen die Investitionsmeldungen aus den slowakischen Unternehmen nicht ab. Große Projekte stehen neben der Fahrzeugbranche in der Chemieindustrie und bei den Kfz-Zulieferern an. Außerdem sind neue Logistik- und Produktionshallen geplant sowie der Bau von Einkaufszentren.
Auch staatliche Strukturen sollten in den nächsten Jahren mehr investieren, weil die Abschöpfung der EU-Fonds ab 2017 wieder Fahrt aufnimmt. Die Mittel fließen in die Renovierung sozialer Einrichtungen wie Schulen oder Krankenhäuser sowie in die Wasserwirtschaft, vor allem aber in den Ausbau der Straßeninfrastruktur.
Ausgewählte Großprojekte in der Slowakei
Projektbezeichnung
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Investitionssumme (Mio. Euro)
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Projektstand
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Anmerkung / Ansprechpartner
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D1, Umgehungsstraße von Presov
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900
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Baubeginn Anfang 2017, fertig 2020
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Auftrag für Konsortium Eurovia, Doprastav, Metrostav / http://www.ndsas.sk |
Slovnaft / Erweiterung der Produktion in Bratislava
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460
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Vorhaben bis 2020
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Petrochemie-Division, Chemie, Kunststoffe, Elektromobilität / http://www.slovnaft.sk |
Erweiterung Tunnel Branisko
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350
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Planungsphase, Fertigstellung frühestens 2022
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zweite Röhre des Tunnels / http://www.ndsas.sk |
Volkswagen / Logistikzentrum Bratislva
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150
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Inbetriebnahme im Laufe des Jahres 2017
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Betrieb des Zentrums durch externen Partner / http://www.volkswagen.sk |
Energy Edge ZC / Werk in Zarnovice
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120
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1.200 neue Jobs, Umweltverträglichkeitsprüfung läuft
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Umbau einer Fabrik zur Produktion von Sperrholz / http://www.energyedgezc.sk |
Minebea / Werk für Kfz-Teile in Kosice
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100
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1.000 Jobs, Planungsphase, noch keine Entscheidung
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Produktion von Kühlsystemen und Messgeräten, Entwicklung / http://www.minebea.com |
Penta / Krankenhaus in Bratislava
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100
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Baubeginn 2018, Fertigstellung 1. Halbjahr 2021, 400 Betten, 14 Operationssäle
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Krankenhaus Svet zdravia als Ersatz für verzögertes PPP-Projekt der Regierung / http://www.pentainvestments.com |
Gestamp / Werk in Luzianky bei Nitra
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100
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400 Jobs, Baubeginn Ende 2016, Produktion Mitte 2018
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Produktion von Kfz-Pressteilen aus Stahl und Aluminium für Jaguar / http://www.gestamp.com |
Einkaufszentrum Forum in Presov
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60
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Kaufhaus von Tesco gekauft, fertig bis 2018
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30.000 qm, 125 Läden, Multi Development / http://multi.eu
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Brose / neues Werk in Horna Nitra
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50
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Produktion ab 2017, 1.000 Jobs bis 2019, Kunden Jaguar, BMW, VW
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Produktion von Fensterhebern und Hintertüren / http://www.brose.com |
Quellen: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen
Das Amt für öffentliche Ausschreibungen ist unter der Webadresse
http://www.uvo.gov.sk zu finden. Dort können aktuelle Beschaffungsvorgänge recherchiert werden.
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen unter
http://www.gtai-EU-Ausschreibungen.de.
Konsum: Wachsende Beschäftigung führt zu höheren Einkommen
Die sinkende Arbeitslosigkeit führt vielerorts zu Personalmangel und erhöht damit den Lohndruck. Für 2017 erwartet die Regierung einen Anstieg der Reallöhne um 2,6%. In diesem Tempo soll es auch in den Folgejahren weitergehen. Auf ähnlichem Niveau wird daher nach Regierungsprognosen der Verbrauch der privaten Haushalte zulegen. Er wird 2017 den wichtigsten Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten (1,4 Prozentpunkte).
Nominal steigen die verfügbaren Einkommen in den nächsten drei Jahren mit zunehmendem Tempo - von 3,2% (2017) auf 4,5% (2019). Da gleichzeitig die Inflation anzieht, bleiben die realen Zuwachsraten etwas unter den Werten der vergangenen Jahre. Zugleich erwartet die Regierung einen leichten Rückgang der Sparquote.
Erhebungen des Statistikamtes zeigen, dass die Stimmung der Konsumenten auf einem Mehrjahreshoch ist. Vor allem die gute Lage am Arbeitsmarkt und der Beschäftigungsaufbau sorgen für Optimismus. Im Einzelhandel war davon im Jahresverlauf 2016 allerdings erst wenig zu spüren. Die Umsätze (ohne Fahrzeuge) sind von Januar bis Oktober nur um knapp 2% gegenüber der Vorjahresperiode gestiegen. Während der Absatz von langlebigen Konsumgütern wie Haushaltselektronik und Möbeln stagnierte, gingen jedoch die Verkäufe von Lebensmitteln und Getränken um ein Fünftel nach oben.
Außenhandel: Autoabsatz im Ausland lässt Exportüberschuss steigen
Der slowakische Außenhandel entwickelt sich dank der engen Verflechtung mit der EU weiterhin dynamisch. Sowohl die Importe als auch die Exporte werden in den kommenden Jahren deutlich zulegen. Bei den Einfuhren erwartet die Regierung Zuwachsraten zwischen 4,9% (2017) und 6,3% (2019). Die höheren Einkommen führen zu mehr Nachfrage nach hochwertigen Konsumgütern und Lebensmitteln aus dem Ausland. Außerdem steigt durch die zunehmenden Investitionen der Bedarf an importierten Ausrüstungsgütern.
Noch stärker als die Importe werden die Exporte anziehen. Das regierungsnahe Institut für Finanzpolitik rechnet für 2017 mit einem Plus von 5,8%. Wenn 2018 bei Jaguar Land Rover die ersten Fahrzeuge vom Band laufen (die überwiegend für die Auslandsmärke bestimmt sind), bekommen die Exporte einen zusätzlichen Schub. Dann sollen die Ausfuhren um 7 bis 8% zulegen. Der Handelsüberschuss könnte 2019 bis zu 6,5 des BIP erreichen, so die Regierung.
Deutsche Lieferanten profitierten 2016 besonders von der wachsenden Nachfrage in der Slowakei. Die Importe aus Deutschland stiegen im 1. Halbjahr laut Eurostat um 11% (Importe insgesamt: +4,4%). Damit konnten deutsche Unternehmen ihre führende Position gegenüber den Wettbewerbern aus Tschechien, Österreich, Polen und Ungarn ausbauen. Besonders gefragt waren deutsche Autos und elektrische Maschinen.
Außenhandel der Slowakei (in Mio. Euro; nominale Veränderung im Vergleich zum Vorjahr in %)
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Slowakei
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