DiePresse.com | 09. Juni 2012 | von Christoph Thanei (Die Presse)
Gewerbepark: Chinas Tor nach Europa
In der Slowakei, nahe der österreichischen Grenze, entsteht eine chinesische Vorzeigestadt. Von diesem Gewerbepark aus wollen Chinas Banken und Konzerne den europäischen Markt erstürmen.
Bild: (c) AP |
Chinesen haben ein Faible für Europa. Und wenn ihnen etwas gefällt, dann scheuen sie keine Kosten und Mühen, um es zu sich nach Hause zu holen. Wie etwa das österreichische Hallstatt. Seit wenigen Tagen gibt es den von der Unesco als Weltkulturerbe geschützten Ort nicht nur im Salzkammergut, sondern auch in der südchinesischen Provinz Guangdong. Dort hat man die kleine alpenländische Gemeinde ganz einfach nachgebaut – und ein Stück Österreich nach China gebracht.
Jetzt soll ein Stück China nach Österreich kommen. In der Slowakei, nahe der österreichischen Grenze, entsteht ein Handelszentrum, von dem aus China Europa erobern will: das "Europäische Chinesische Zentrum" (ECC). Wenn Chinas Banken und Firmen den europäischen Markt erstürmen wollen, dann soll dieser Ort künftig ihr Sprungbrett sein.
Chinesische Geschäfte, Banken, Handelsniederlassungen, aber auch Kultureinrichtungen sollen hier ebenso ihren Platz finden wie ein chinesischer Garten als Erholungsort für von Hektik geplagte Europäer. Dieser gemeinsame Traum slowakischer und chinesischer Investoren soll zwischen Bratislava und Senec entstehen, nur einen Katzensprung von der österreichischen Grenze entfernt.
"Das wird nicht irgendein Industriepark", stellt Ivan Čarnogurský, Chef der slowakischen Beraterfirma IPEC, klar. Produzierende Betriebe könne man später zwar auf anderen Flächen zusätzlich auch noch unterbringen, aber das ECC verfolge andere Ziele: Eher handle es sich um eine Art chinesische Vorzeigestadt mitten in Europa.
Ein freundliches China. Das Projekt ist bewusst breit angelegt. Symbolträchtig dafür ist der chinesische Garten als Erholungsort und Attraktion auch für Touristen. Er soll einen Teil von China nach Europa bringen – und präsentiert auch Beispiele klassischer chinesischer Architektur. Kulturveranstaltungen wie zum Beispiel Ausstellungen sollen jenen Besuchern, die später in den Handelsniederlassungen chinesischer Banken und Firmen zu Geschäftsverhandlungen mit ihren Partnern zusammenkommen, ein freundliches China zeigen. Ein China, das mehr bietet, als nur Niedriglohnproduktionen.
Aber die Imagepflege ist nur ein Teil des Konzepts. Vor allem sollen in dem Zentrum die Europa-Niederlassungen von chinesischen Firmen ihren Sitz finden.
Die Slowakei empfiehlt sich dafür ideal: Denn sie ist nicht nur Mitglied der EU, sondern als fast einziges postkommunistisches Land auch Teil der Eurozone. Gleichzeitig ist die Slowakei aber auch noch immer ein Niedriglohnland mit relativ günstigen Investitionsbedingungen für Firmen auch von ausserhalb Europas. Zwar hat der neue sozialdemokratische Premier Robert Fico ausgerechnet jetzt angekündigt, die Flat Tax von 19 Prozent abzuschaffen – sie galt acht Jahre lang als das erste slowakische Lockmittel für Investoren. Aber trotzdem dürfte die Slowakei für ausländische Investoren bis auf Weiteres interessant bleiben.
Konkurrenz für Parndorf. Auch das Wirtschaftsareal in Senec dürfte für chinesische Investoren so interessant sein wie kaum ein anderes in der Slowakei. Es liegt strategisch günstig, direkt am Autobahnanschluss, was eine schnelle Verbindung nach Österreich, Tschechien, Polen und Ungarn ermöglicht.
Dazu liegt praktisch in Sichtweite der Flughafen Bratislava mit seinen noch grossen Ausbaukapazitäten und nebenbei auch nahe an den wichtigsten Eisenbahnstrecken des östlichen Mitteleuropa. Die IPEC hat das Areal seit rund einem Jahrzehnt schrittweise erschlossen.
Es sei vor allem der Initiative der chinesischen Partner zu verdanken, dass das Grossprojekt nun mit energischen Schritten seiner Realisierung zustrebe, sagt Čarnogurský erfreut. Erstmals einer chinesischen Handelsdelegation vorgestellt habe man das Areal vor nun schon fast einem Jahr, ergänzt sein PR-Berater Štefan Maličkay. "Den chinesischen Partnern hat die Lage sofort bestens gefallen." Seither habe man das Projekt gemeinsam mit lokalen chinesischen Handelskammern, Unternehmensverbänden und den Botschaften beider Länder auf Road Shows in Peking und Nordchina präsentiert. Dabei sei man auf enormes Interesse gestossen. Zwischen 200 und 300 Firmen habe man als Gesprächspartner und potenzielle Interessenten gefunden. Die Auswahl der konkreten Unternehmen, die sich bei Senec niederlassen wollen, sei allerdings Angelegenheit der chinesischen Partner.
Rund 100 Millionen Euro soll die Errichtung des Zentrums insgesamt kosten, 30 Millionen davon in der jetzt beginnenden ersten Phase: Es gehe erst einmal um die Konkretisierung des Projekts und die Organisation der ersten Firmenansiedlungen, erläutert Čarnogurský. Die Gesamtfläche des Zentrums soll bis zu 300.000 Quadratmeter umfassen. IPEC als Entwickler sei dabei deshalb recht flexibel, weil das vorgesehene Zentrum in einem Areal liegt, das der Firma bereits gehört. Und auf dem sie schon andere Projekte gestartet hat. So gibt es bereits ein Logistikzentrum. Und ein Outlet-Center, das künftig dem im nahen Parndorf in Österreich Konkurrenz machen soll, ist im Entstehen und soll nächstes Jahr seine Pforten öffnen.
Zu reich zum Fördern. Die Region Bratislava, zu der neben der Hauptstadt auch der Nachbarbezirk Senec gehört, hat zum westlichen Europa längst aufgeschlossen. Wegen ihres hohen Wohlstandsniveaus erhält die Region für solche Projekte keine Förderungen mehr aus dem EU-Regionaltopf. Ivan Čarnogurský stört das nicht. Ihm gehe es sowieso nicht um arbeitsintensive Produktionsbetriebe, sondern vor allem um ein Businesszentrum: "Die Grundstücke gehören uns schon, das Geld für die konkreten Investitionen werden die Firmen selbst mitbringen und natürlich Banken bereitstellen." Welche Firmen dann tatsächlich in dem China-Zentrum ihre Visionen für Europa entwickeln werden, ist noch relativ offen. Wirklich unterschrieben sei noch kein Vertrag für eine konkrete Firmenniederlassung, das sei ja auch Angelegenheit der chinesischen Partneragentur. Natürlich fühle man sich geschmeichelt, dass unter anderem auch die Bank of China ihr Interesse bekundet habe. Darauf verlassen, dass sie tatsächlich kommt, wolle man sich aber dennoch nicht.
Dass gerade die Slowakei zum Sprungbrett für die Chinesen nach Europa werden soll, ist nicht ungewöhnlich. Denn diesen Weg sind auch schon andere asiatische Firmen gegangen. Wie etwa der koreanische Autobetrieb Kia, der sein Europa-Werk in Zilina in der Nordslowakei betreibt und ständig erweitert. Aber auch Elektronikfirmen wie Samsung bedienen den europäischen Markt von der Slowakei aus. Sony hat sich zwar formell zurückgezogen, lässt aber stattdessen die taiwanesische Firma Foxconn von der Slowakei aus für sich arbeiten.
Plagiatsvorwurf. Ganz ohne Probleme scheint die Planung des Grossprojekts "Europäisches Chinesisches Zentrum" aber trotzdem nicht abzulaufen. Ursprünglich hat die im nordwestslowakischen Neustadt an der Waag angesiedelte Firma Universal Media Corporation (UMC) als Partner von IPEC die wichtigsten Kontakte zu den chinesischen Partnern gepflegt. "UMC hatte konkrete Interessenten über eine chinesische Provinzbehörde, aber nichts ist wirklich realisiert worden. Deshalb gehen wir jetzt eben andere Wege ohne UMC", sagt Čarnogurský.
Naturgemäss anders sieht das Magdaléna Verešová von UMC: Im Unterschied zu IPEC habe ihre Firma schon seit Jahren Partnerschaften mit chinesischen Firmen, weil man mit diesen seit Jahren in der LCD-Produktion kooperiere. "Das Projekt China-Zentrum ist für uns weiterhin aktuell, aber nur mehr mit anderen Partnern." Denn IPEC habe das Projekt "von uns kopiert", beschwert sich Verešová.