derstandard.at, 29. November 2010
Slowakei kippt Fernsehgebühren
Abschaffung der Gebühren zum Neujahr 2012 - Finanzierung künftig aus Staatshaushalt, Parlament wählt Fernsehdirektor
Renata Kubicová aus Bratislava
Eine finanzielle Dauerkrise, sinkende Zuschauerraten bis auf einen Marktanteil von 15 Prozent und ein Programm, das Werber eher abschreckt: Ein derartiges Bild gab in den letzten Jahren das öffentlich-rechtliche slowakische Fernsehen STV ab. Während sich der bisher getrennt wirkende Hörfunk finanziell über Wasser hält, erwirtschaft STV für 2010 einen Finanzverlust von rund 17 Millionen Euro.
Das soll sich jetzt ändern, meint die neue Mitte-rechts-Regierung von Premierministerin Iveta Radièová. Eine grundsätzliche Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei schon längst überfällig. Weniger als einen Monat brauchte der zuständige Kulturminister Daniel Krajcer von der liberalen Freiheit und Solidarität (SaS), früher Moderator bei einem Privatsender, um zu einem ersten Reformschritt anzusetzen.
Verschuldung stoppen
Schon ab Neujahr sollen öffentlich-rechtlicher Hörfunk und STV zu einer gemeinsamen, komplexen Institution, dem Radio und Fernsehen der Slowakei (Rozhlas a Televízia Slovenská - RTV) fusionieren, was 1,7 Millionen Euro jährlich einsparen und die rasende Verschuldung der STV stoppen soll. Viel zu schnell, nicht durchdacht, meinen Kritiker. Die politische Opposition im Land hält die Fusion für den Anfang vom Ende des dualen Mediensystems in der Slowakei. Die Reformpläne von Krajcer haben offenbar einen politischen Hintergedanken. Der Minister will weiter gehen: Mit dem Zusammenschluss werden beide Rundfunkräte abgeschafft. Den RTV-Direktor wird künftig direkt das Parlament wählen. Und folgen wird eine Abschaffung der Rundfunkgebühren zum Neujahr 2012. Ersetzen soll sie eine direkte Finanzierung des RTV aus dem Staatsbudget.
Während die breite Öffentlichkeit, die Grossteils bereits zu Privatsendern umgeschaltet hat, die Gebührenabschaffung begrüsst, warnen Medienexperten und Mitarbeiter beider Medien vor einem real drohenden Verlust der Unabhängigkeit der Öffentlich-Rechtlichen. Politische Beeinflussung der Inhalte, die es in der Slowakei schon immer gab, könnte weiter gesteigert werden, meint Ján Smihula, Info-Chefredakteur im STV: "Es gibt dieses Risiko. Bei einer Finanzierung aus dem Budget könnten Politiker sagen: Wenn wir es schon finanzieren ..."