diePresse.com, 9. Oktober 2008
Finanzkrise: Gewitterwolken für den slowakischen Autoboom
VW Slovakia reduziert die Produktion. Die Ökonomen setzen
aber auf die immer noch niedrigen Löhne.
Von CHRISTOPH THANEI (Die Presse)
Bratilava. Der grösste Exporteur der Slowakei bekam die internationale
Krise als erste Firma im Land zu spüren: Volkswagen Slovakia will bis
auf Weiteres für einen Teil seiner 8500 Mitarbeiter die Arbeitszeit
reduzieren, um die Produktion um rund zehn Produzent zu verringern. Unter
anderem werden die Weihnachts-Betriebsferien schon eine Woche früher
beginnen als ursprünglich geplant. Das Unternehmen reagiert damit auf
den sinkenden Absatz bei hochpreisigen Modellen in Westeuropa. Die Vorzeigemodelle
des Werks in Bratislava (Pressburg) sind mit dem VW Touareg, Porsche Cayenne
und Audi Q7 allesamt in der oberen Preisklasse angesiedelt.
An eine Personalreduktion sei aber nicht gedacht, betonte eine Unternehmenssprecherin
gegenüber lokalen Medien. Sehr wohl reduzieren könnte VW aber
laut unbestätigten Gerüchten den Einsatz von Leiharbeitern. Von
einer Krise der bisher boomenden slowakischen Automobilindustrie will in
der Slowakei aber niemand etwas wissen. Abgesehen von Volkswagen stehen
die grossen Automobilbetriebe erst am Beginn ihrer erwarteten Expansion.
Kia in Zilina und Peugeot in Trnava haben erst im vergangenen Jahr mit
ihrer Serienproduktion begonnen und laufen noch nicht auf vollen Touren.
Beide wollen heuer schon eine fast so hohe Jahresproduktion wie Volkswagen
Slovakia mit rund 240.000 Autos erreichen. „Die von diesen beiden
Werken produzierten preisgünstigeren Modelle lassen sich in Zeiten
der internationalen wirtschaftlichen Stagnation besser verkaufen“,
zitierte die Tageszeitung „Hospodarske noviny“ (HN) den Finanzexperten
Vladimir Vano.
Langsameres Wachstum
Zumindest Peugeot schliesst aber nicht mehr aus, dass man die für
kommendes Jahr geplante Produktionssteigerung auf 300.000 Autos pro Jahr
wohl doch etwas langsamer angehen wird. Auch zahlreiche Automobil-Zulieferbetriebe
sind noch nicht an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt. Ebenso befinden
sich zwei grosse Elektronikwerke von Sony und Samsung in der Südwestslowakei
noch in der Startphase. Dass diese erst in den letzten Jahren mit viel Euphorie
und vor allem mit Förderzusagen, die gerade noch mit EU-Recht vereinbar
sind, ins Land gelockten Industriebetriebe schon vor ihrem vollen Ausbau
in Gefahr geraten könnten, befürchten Vano und andere slowakische
Analysten nicht: „Im Unterschied zu unseren Nachbarländern wächst
in der Slowakei die Produktivität merklich dynamischer als die Löhne.“
Unerwartet meldete nun aber wenige Tage nach Volkswagen Slovakia auch
der slowakische Maschinenbausektor Probleme. Die Slowakei-Tochter des deutschen
Konzerns Sauer-Danfoss gestand am Dienstag als erste slowakische Firma ein,
Personal reduzieren zu müssen. Grund seien vor allem Absatzschwierigkeiten
in Übersee, wo man noch dazu grössere Forderungen offen habe.
Sauer-Danfoss beschäftigt in der Region Zilina 1200 Mitarbeiter, die
vor allem mit Konstruktionsaufgaben betraut sind – also keine klassische
„verlängerte Werkbank“.
Es herrscht noch Optimismus
Trotz solcher erster Symptome für ein Übergreifen der internationalen
Krise herrscht in der Slowakei noch immer deutlicher Optimismus vor. Die
slowakische Wirtschaft sei sehr stabil, betonen die Experten. Dabei gehen
80 Prozent der Industrieproduktion in den Export und sind somit enorm von
den ausländischen Märkten abhängig. Mit Automobil- und Elektronikindustrie
dominieren zwei Bereiche, die ganz stark von Nachfragerückgängen
infolge der Finanzkrise betroffen sein könnten.
Allerdings gäbe es immer noch sehr niedrige Arbeitskosten und vor allem
eine relativ hohe Produktivität, wenden die Ökonomen ein. Bevor
Volkswagen Slovakia ernsthaft gefährdet sei, werde der VW-Konzern wohl
in Spanien zusperren und die Seat-Produktion von dort nach Bratislava verlegen,
meinte ein Kommentator. Tatsächlich hatte der Standort Bratislava schon
einmal während eines Streiks in Spanien vor ein paar Jahren bewiesen,
dass eine solche Verlagerung möglich wäre.