Archiv - Politik / Gesellschaft
Tiroler Tageszeitung, 28. Februar 2014
Gerangel um Platz zwei bei Präsidentschaftswahl in der Slowakei
Bratislava (APA) - Zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl in der Slowakei herrscht weiter ein Gerangel um Platz zwei. Spannend bleibt, wer neben dem Favoriten, dem amtierenden slowakischen Premier Robert Fico, in die Stichwahl einziehen wird. Beobachter erwarten einen harten Wahlkampf, der am Freitag offiziell begonnen hat. Vor allem die bevorstehende Fernsehdebatten könnten die Karten noch einmal kräftig mischen.
Die 14 antretenden Präsidentschaftskandidaten werben bereits seit Jahresbeginn um Wähler. Es steht viel auf dem Spiel. Die beiden Bestplatzierten des ersten Wahldurchgangs am 15. März werden in eine mit hoher Wahrscheinlichkeit bevorstehende Stichwahl am 29. März einziehen. Für einen Sieg in der ersten Runde ist in der Slowakei eine absolute Mehrheit aller Wahlberechtigten notwendig, was in konkreten Zahlen ausgedrückt über 2,2 Millionen Stimmen bedeutet. Von einem solchen Ergebnis dürfte auch der favorisierte linksgerichtete Premier Robert Fico weit entfernt bleiben, obwohl er seit Jahren ungeschlagen der beliebteste Politiker des Landes ist und auch seine alleinregierende Smer (Richtung) langfristig Präferenzen von rund 40 Prozent erreicht.
Vor einigen Wochen galt der Ausgang der ersten Wahlrunde noch als längst entschieden, alle Umfrageergebnisse sahen den Sozialdemokraten Fico als klaren Sieger. Sein Vorsprung gegenüber den 13 Rivalen des bürgerlichen Lagers wird aber kontinuierlich kleiner und ist mittlerweile von einst rund 20 auf lediglich drei bis zehn Prozent vor dem zweitplatzierten geschrumpft. Dennoch dürfte Fico die Stichwahl wohl nicht verfehlen. Das große Fragezeichen des Urnengangs bleibt weiterhin, wer Platz Zwei belegen wird, um den sich die Drängelei immer mehr zuspitzt.
Mehrere Gegenkandidaten von Fico haben reale Erfolgschancen, allen voran der parteilose Unternehmer und Millionär Andrej Kiska, dem Umfragen die besten Aussichten voraussagen, sowie der Schauspieler und Ex-Dissident Milan Knazko, der dynamische junge Jurist Radoslav Prochazka und der Chef des Parlamentsklubs der Christdemokraten und gemeinsamer Kandidat der slowakischen Parlamentsopposition, Pavol Hrusovsky. Symptomatisch ist, dass sich um den zweiten Platz gleich drei parteilose Kandidaten schlagen, während der Christdemokrat Hrusovsky immer mehr absackt.
Die Politikverdrossenheit der rechten Wähler im Land scheint sich immer mehr auch auf den Kampf um den Präsidentenpalast zu übertragen. Zum Teil haben dies die oppositionellen Mitte-Rechts-Parteien mit ihren ewigen Streitereien rund um die Aufstellung eines gemeinsamen Kandidaten selbst verschuldet. Gerüchten zufolge steigt bereits im eigenen Lager der Druck auf Hrusovsky, er solle seine Kandidatur zurückziehen und damit die Chancen eines anderen rechten Kandidaten stärken, so lange es noch geht. Zudem sind die Stimmen im rechten Teil des Spektrums extrem zersplittert und auf eine Rekordzahl antretender Kandidaten verteilt.
Während Politologen in der Slowakei in Hinblick auf die guten Aussichten Kiskas bereits vor der Wahl einer Persönlichkeit völlig ohne politische Vergangenheit zum Staatschef warnen, änderten auch die übrigen Aspiranten für den zweiten Platz schon ihre Taktik. Noch vor einigen Wochen lautete das Motto "Einer gegen Alle". Hauptthema des Wahlkampfs war die Person Fico, der von allen Rivalen attackiert wurde. Man müsse den Premier und seine Partei Smer, die bereits im Parlament sowie der Regionalpolitik dominierend Kraft ist, daran hindern, auch noch den letzten wichtigen Staatsposten zu beherrschen, hieß es. Nun versuchen die Gegenkandidaten zunehmend sich untereinander abzugrenzen.
Ins Visier der verbalen Attacken gerät dabei zunehmend gerade Kiska. Ein Land könne man nicht von Wahlplakaten aus regieren, erklärte etwa Schauspieler Knazko in Anspielung auf die massive Plakatwerbung des Philanthropen, und beklagte, der Unternehmer versuche einer Wahldiskussion mit ihm aus dem Weg zu gehen. Der Christdemokrat Hrusovsky konterte mit der Aussage, die Slowakei verdiene es nicht, einen weiteren schweigenden Präsidenten zu haben. Niemand wisse, wer Kiska tatsächlich sei und welche Ansichten er wirklich repräsentiert. "Ich befürchte, sogar Kiska selbst ahnt nicht, ob er rechts oder links steht", so Hrusovsky.
Mittlerweile haben andere Wahlkampfthemen das bisherige zentrale Thema Fico nahezu vollständig an den Rand gedrängt. Die Christdemokraten präsentierten stolz ihren Vorstoß zur Neudefinition der Ehe als Verbindung von Mann und Frau, was Hrusovsky im Wahlkampf unterstützen soll. Und die regierenden Sozialdemokraten mit Fico an der Spitze haben eine groß angelegte Justizreform angekündigt, die in der Slowakei allerdings seit Jahren fällig wäre. Beide Lager wollen zur Durchsetzung ihrer Ideen eine Verfassungsänderung und sind somit auf Unterstützung der jeweils anderen Seite angewiesen, überraschend hat man sich bereits auf Verhandlungen einigen können - zum großem Unmut der restlichen rechtskonservativen Opposition und deren Kandidaten.
Beobachter sind zudem der Meinung, Fico versuche nun zunehmend auch unter christlichen Wählern nach Stimmen zu fischen. Denn wer auch immer gegen ihn in der Stichwahl antreten wird, in der zweiten Wahlrunde wird Fico jede nur denkbare Unterstützung benötigen. Der Wahlkampf endet zwei Tage vor dem Urnengang mit einem Moratorium, während dem Wahlwerbung untersagt ist.