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Thurgauer Zeitung, Tagblatt Online, 29. Februar 2012, von MARGRITH PFISTER–KÜBLER
Dialog mit dem Botschafter
Jan Foltin, Botschafter der Slowakischen Republik, sprach über Kultur im Schloss Breitenstein in der Reihe «Der besondere Gast».
(Bild: Margrith Pfister-Kübler)
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ERMATINGEN. «Bei uns in Ermatingen geht die Sonne immer zuerst auf», klärte Gemeindeammann Martin Stuber Botschafter Jan Foltin in seiner Grussbotschaft auf. Seine Exzellenz strahlte und konterte: «Bei uns in der Slowakei noch früher.»
Dicht gedrängt sassen die Gäste im ehrwürdigen Wohnraum der Gastgeber Margit und Jens Koemeda. Sie hatten auf Schloss Breitenstein eingeladen, die Reihe heisst «Der besondere Gast».
Slowakische Kultur als Thema
Slowakische Kultur nach der Wende, nach der Teilung der Tschechoslowakei, stand im Zentrum dieser Veranstaltung. Diese Kulturszene habe sich in den letzten 20 Jahren geradezu halsbrecherisch geändert, aber sie habe Anfang der 90er-Jahre nicht von Null angefangen, erklärte Foltin. Im Vergleich zur tschechischen oder gar ungarischen Kultur habe sie eine engere Basis und auch eine kürzere Tradition.
Am Anfang stand die Folklore
Leicht spassig meinte Foltin, dass vor 1918 die Slowaken nur Folklore und Volkskunst gehabt hätten. Die moderne Kultur habe sich erst nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik entfaltet, auch dann sei Bratislava – im Vergleich zu Prag – nur eine Peripherie. Talente sind nach Budapest oder Wien und Prag gegangen. Foltin zeigte aufrüttelnde Inhalte zu Kulturschaffenden auf. Diktierte Ideologie wurde durch gnadenlosen Markt ersetzt.
Die Slowakei sei noch härter getroffen worden als Tschechien, Ungarn oder Polen. Foltin sagte: «Wir mussten neben dem gesellschaftlichen und ökonomischen Umbau auch einen neuen Staat aufbauen.»
Künstler im Exil
Foltin legte den Focus auf Künstler im Exil. Popart-Künstler Andy Warhol etwa, hatte slowakische Eltern. Zukunft? Die Stadt Kosice ist neben Marseille im 2013 Kulturhauptstadt. «Ein Besuch lohnt sich», sagte Feltin und betonte: «Die Kulturidentität eines Volkes ist heutzutage das einzige, was uns von den anderen Nationen in Europa oder in der globalisierten Welt unterscheidet. Alles andere ist ähnlich.» Foltins forderte dazu auf, mehr in die Kultur zu investieren.
In der anschliessenden Diskussion wurden prägende Veränderungen und Probleme ebenso laut wie die unvermeidliche Frage nach dem Unterschied zwischen der Tschechoslowakei und der Slowakischen Republik.