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WirtschaftsBlatt.at, 14. November 2011
Präsident stoppt Gesundheitsreform
Spitäler sollten als staatliche Aktiengesellschaften ihre Kosten besser im Griff haben. Die Ärzte protestierten -nun ist die Spitalsreform vorerst vom Tisch.
von Manuela Tomic
Bratislava. Der slowakische Gesundheitsminister Ivan Uhliarik von der Christdemokratischen Bewegung (KDH) hat Anfang April dieses Jahres eine Gesundheitsreform beschlossen, wonach 31 große Krankenhäuser der Slowakei in staatliche Aktiengesellschaften transformiert werden sollten. Als der Gesundheitsminister vergangene Woche ankündigte, die Direktoren der Krankenhäuser sollten sich ab 1. Dezember auf die strukturelle Umwandlung der Krankenhäuser einstellen, gab es heftige Demonstrationen der Ärztegewerkschaften.
Martin Kollar, Chef der slowakischen Ärztegewerkschaften, forderte daraufhin die völlige Einstellung der Umwandlung. Kollar sowie insgesamt 2400 Ärzte, die aus Protest umgehend kündigen wollten, fanden beim slowakischen Präsidenten Ivan Gasparovic Gehör. "Nach meinem Treffen mit dem Gesundheitsminister und einem Telefonat mit dem Ministerpräsidenten habe ich entschieden, dass die Umwandlung gestoppt wird", erklärte Gasparovic vergangene Woche. Zumindest bis zu den kommenden, vorgezogenen Parlamentswahlen am 10. März 2012 soll die Gesundheitsreform kein Thema sein, so Gasparovic.
Eine Milliarde Schulden
Der Gesundheitsminister wollte mit der Transformation der Krankenhäuser die Kontrolle der Finanzen verbessern und die Schulden der Krankenhäuser abbauen. Vorwürfe, er würde eine Privatisierung des Gesundheitswesens vorantreiben, weist er zurück. "Die Krankenhäuser in der Slowakei sind um etwa eine Milliarde € verschuldet", erklärt Kollar. Der Hauptgrund für das Ansteigen der Schulden ist die Tatsache, dass Krankenversicherungsunternehmen ihre Zahlungen für die Krankenhäuser in diesem Jahr um etwa 17 Prozent gesenkt haben. "Paradox ist, dass die Krankenhäuser zwar verpflichtet sind, Patienten zu versorgen, die Versicherungen aber nicht verpflichtet sind, die Krankenhäuser finanziell zu unterstützen", so Kollar. Insgesamt sind etwa 6500 Ärzte in slowakischen Krankenhäusern angestellt. Die Ärztegewerkschaften fordern neben dem Transformationsstopp auch die Erhöhung der Gehälter. Ein Arzt in der Slowakei verdient durchschnittlich fünf bis sieben €die Stunde, insgesamt also zwischen 600 und 900 €monatlich. Daher sehen sich die Ärzte auch in ihren Nachbarländern um. "Vor allem Österreich, Deutschland und die Tschechische Republik sind attraktive Arbeitgeberländer für slowakische Ärzte", sagt Kollar.
Österreich teuer
Das österreichische Gesundheitssystem wird auch von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) für seine hohe Qualität der ärztlichen Leistungen gelobt. Kritisiert wird in Österreich die Koordination zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung und der finanzielle Fokus auf die Spitäler. Nach einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) ist das österreichische Gesundheitssystem das zweitteuerste in der EU. Pro Kopf kostet es die Österreicher jährlich 3400 €, im Gegensatz zum EU-Schnitt, der bei 2200 €liegt.