Die Pressse,28. Februar 2010

Soziologin soll Opposition retten

Iveta Radičová tritt bei Wahl im Juni als Frontfrau gegen Premier Fico an. Der bisherige Oppositionschef, Expremier Mikuláš Dzurinda, verzichtete Anfang Februar überraschend auf eine Kandidatur bei der Parlamentswahl.
BRATISLAVA.Als „innerparteiliche Wende“ und „Neubeginn nach den Skandalen der Vergangenheit“ werteten Kommentatoren am Wochenende die Kür von Iveta Radičová zur neuen Frontfrau der slowakischen Opposition. Die 53-jährige Soziologieprofessorin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin soll die christlich-liberale SDKU retten und gegen den in allen Umfragen führenden sozialdemokratischen Premier Robert Fico in die Parlamentswahl am 12. Juni führen.
Mit großem Vorsprung gewann sie die nach amerikanischem Vorbild abgehaltenen innerparteilichen Vorwahlen der größten Oppositionspartei gegen den mit seiner 2004 eingeführten Einheitssteuer (Flat Tax) international bekannt gewordenen Ex-Finanzminister Ivan Mikloš. Damit ist Radičová überhaupt die erste weibliche Spitzenkandidatin einer größeren Partei in der Geschichte der Slowakei.
Aufruf zur Anständigkeit
Der bisherige Oppositionschef, Expremier Mikuláš Dzurinda, verzichtete Anfang Februar überraschend auf eine Kandidatur bei der Parlamentswahl. Anlass dafür war der von Fico gegen ihn erhobene Verdacht der Korruption und Geldwäsche in riesigem Ausmaß; dies wird inzwischen von der Polizei untersucht.
In Anspielung darauf, dass auch Ficos seit 2006 regierende Koalition aus einer sozialdemokratischen und zwei rechtspopulistischen Parteien von mehreren Finanzskandalen erschüttert wurde, rief Radičová am Sonntag die Oppositionsanhänger dazu auf, „gemeinsam eine Politik der Anständigkeit“ durchzusetzen.
Radičová wurde erst Ende 2005, kurz vor der Abwahl der Dzurinda-Regierung, Sozialministerin. Da sie vorher nicht Politikerin war, gilt sie als weitgehend unbelastet von Skandalen. Auch wird ihr eher als Mikloš zugetraut, die zersplitterte Opposition zu einen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2010)