Ohne 17. November wäre Slowakei nicht gegründet
London, 17. November (TASR) – Ohne den 17. November hätten die Slowaken ihren eigenen Staat nie gegründet, sagte der slowakische Premierminister Robert Fico an der University College London anlässlich des 20. Jahrestags der Samtrevolution.
Den eintägigen Besuch in Grossbritanien begann der Premier mit dem Treffen mit Pädagogen und Studenten der renomierten Londoner Universität. In seiner Vorlesung "Die Slowakei im 21. Jahrhundert" erinnerte Fico an die Bedeutung des 17. Novembers, an die politische Kraft der samtenen Revolution sowie an Demokratisierungsverfahren der Gesellschaft und an die zu hoch gestellten, versprochenen Wohlstands-Ziele. Ohne soziale Rechte sei die Implementierung der bürgerlichen und politischen Rechte zu kompliziert, betonte er.
In der Privatisierung seien „enorme Fehler“ begangen worden, die nur neue Benachteiligungen hervorgerufen haben, gab Fico zu. Das Eigentum sei an einzelne Eigentümer oder außer der Slowakei verkauft worden, setzte er fort. Die Slowakei habe in Bemühungen, das Lebensstandard der Bevölkerung zu erhöhen, versagt – im sozialen Bereich müsse man das gleiche erreichen wie in Bereich der Menschenrechte, ergänzte der Premier.
Fico deutete auf die Auswirkung der globalen Wirtschaftskrise auf die Slowakei, die wegen ihrer einseitigen Orientierung auf die Kraftfahrzeugs-Industrie vom Export abhängig sei, hin. Nach November 1989 sei die Slowakei ein Land geworden, dass unabhängige Entscheidungen auf der internationalen Szene treffe und EU- sowie NATO-Mitglied sei, betonte Fico. Von dem wirtschaftlichen Wachstum sollten auch Menschen profitieren, sagte der Premier und betonte die Verpflichtung seiner Regierung, einen sozialen Staat zu bilden.
dn/bub |
Premier Fico kritisiert zu eiligen Pakt mit Kommunisten
Bratislava, 19. November 2009, von Karin Bachmann, Wiener Zeitung
-. Ein großes Strohherz erinnert dieser Tage vor dem historischen Gebäude des Slowakischen Nationaltheaters an die "Zärtliche Revolution" von 1989. Es steht für das Versprechen der Liebe, das sich allein in Bratislava rund 500.000 Menschen gaben.Doch der friedvolle Eindruck täuscht, wenn es um die historische Aufarbeitung der Ereignisse geht. Die Slowaken tun sich damit schwer, weil sie damals noch keinen Staat hatten und anders als die Tschechen nicht auf eine Leitfigur wie Václav Havel verweisen können. "Historisches Vakuum" Am Dienstag, dem Revolutionsfeiertag, kritisierte Regierungschef Robert Fico bei einer Vorlesung in London, wo er nach der Wende studierte, die Anführer der damaligen Proteste. Zu schnell hätten sie mit den früheren Kommunisten paktiert. Ficos Sicht entspricht einer populären These, wonach die Umbrüche eigentlich von den Kommunisten selbst eingeleitet wurden, sie sich aber der Gesichtswahrung halber vermeintlicher Oppositioneller bedienten. Journalisten nennen es ein "historisches Vakuum", dass es bisher kein Buch allein über die entscheidenden Ereignisse Ende 1989 gibt. Dadurch werde die Identitätssuche der Slowaken sehr erschwert. Für den US-Historiker Timothy Snyder sind sie jedoch kein Einzelfall. Beim Mitteleuropäischen Forum in Bratislava machte er gestern Mittwoch eine "Abwesenheit von Geschichte" im ganzen früheren Ostblock aus. Es fehle vor allem an einem brauchbaren Ansatz zur Annäherung an die jüngste Geschichte. Denn es sei eine "romantische Verklärung", heutzutage von den Kommunisten geschaffene "weiße Flecken in der Geschichte" aufzufüllen, wie es zuvor der frühere tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg vorgeschlagen hatte, so Snyder. Auch die Freigabe etwa von Geheimdienstakten allein helfe nicht weiter. Zwar handele es sich um authentische Dokumente, sie könnten aber nur Anhaltspunkte liefern. Vielmehr sollten die Osteuropäer an einer gemeinsamen Aufarbeitung des Kommunismus arbeiten, meint der US-Historiker. |