Archiv - Politik / Gesellschaft
"Die Presse", 11.09.2009
Slowakei–Ungarn: Versöhnungsversuche im Schloss
Treffen der Regierungschefs in Szecseny dauerte viel länger als geplant. Verärgert reagierte man in Bratislava auf „absichtliche Fehlinterpretationen“ des Gesetzes durch ungarische Politiker.
szecseny/BRATISLAVA |
Idyllisch war zumindest der Schauplatz des Treffens: Ein schmuckes Schloss im nordungarischen Szecseny an der Grenze zur Slowakei bildete den malerischen Rahmen für die überfällige Aussprache der Regierungschefs beider Länder am Donnerstag.
Inhaltlich waren die Rahmenbedingungen weniger harmonisch. Denn bis zuletzt richteten sich beide Seiten nadelstichartig Gehässigkeiten aus, die wenig Hoffnung auf konstruktive Ergebnisse aufkommen ließen.
Ungarn sei bereit zur Versöhnung, ließ Premier Gordon Bajnai wissen, nicht ohne hinzuzufügen: Erst müsse die Slowakei ein von Ungarn abgelehntes Sprachgesetz ändern. Das käme auf keinen Fall infrage, das Gesetz stehe auch laut OSZE-Gutachten im Einklang mit europäischen Gepflogenheiten, tönte es aus Bratislava zurück.
Verärgert reagierte man in Bratislava auf „absichtliche Fehlinterpretationen“ des Gesetzes durch ungarische Politiker, die durch antislowakische Stimmungsmache von der schweren Wirtschaftskrise Ungarns ablenken sollten. Als Zeichen der Sorge um die „diskriminierte“ ungarische Minderheit in der Slowakei wurde in Ungarn sogar eine Stiftung gegründet, die Spenden für die „Strafgelder“ sammeln soll, die Angehörige der Minderheit aufgebrummt bekämen, sollten sie unerlaubt ihre Muttersprache verwenden.
Gekränkter Präsident
Tatsächlich gilt das Gesetz für Privatpersonen gar nicht, sondern schreibt nur Behörden vor, auch im Minderheitengebiet neben Ungarisch auch die slowakische Staatssprache zu verwenden, um für alle Bürger verständlich zu sein.
Auf einem Nebenschauplatz teilte die Kanzlei des gekränkten ungarischen Präsidenten Laszlo Solyom mit, für ihn käme ein bilaterales Gespräch mit seinem slowakischen Amtskollegen Ivan Gasparovi? erst nach einer Entschuldigung der Slowakei in Frage.
Nationalisten beider Seiten heizen unterdessen die Stimmung ständig an. So war es schon ein Fortschritt, dass das Treffen der beiden Regierungschefs überhaupt zustande kam. In letzter Minute hätten es ungarische Lokalpolitiker beinahe noch verhindert: Die zur Oppositionspartei Fidesz von Expremier Viktor Orbán gehörenden Bürgermeister der Städte Balassagyarmat und Salgotarjan erklärten Fico zur „unerwünschten Person“ und wollten ihm die Durchreise untersagen. Dafür wurden sie aber von Premier Bajnai barsch zurechtgewiesen: Er bezeichnete solches Verhalten als „dumm“ und „unverantwortlich“ und warf den Bürgermeistern vor, „Hysterie“ schüren zu wollen.
Die Geste dürfte gewirkt haben: Das Vieraugengespräch der beiden Premiers dauerte viel länger als geplant.