Archiv - Politik / Gesellschaft
DW-World.de, 27. 08. 2008
Schwere Kost, leicht verpackt
Von Reinhold Vetter
Im nächsten Jahr wird in der Slowakei der Euro
eingeführt. Damit alle rechtzeitig von der Umstellung
erfahren, schickt die Nationalbank eine Gruppe von Roma-Schauspielern
mit ganz besonderer Mission durchs Land.
Roma werben im Auftrag der Nationalbank für
den Euro |
Es ist ein Spektakel voller
Bewegung und Farben. In bunten Kostümen wirbeln die
Schauspieler über die Bühne, die kleine Kapelle
treibt sie mit immer neuen, immer schnelleren Rhythmen
weiter an. So viel Leben war schon lange nicht mehr im
Kulturhaus von Jarovnice. Die kleine Gemeinde liegt ganz
im Osten der Slowakei, unweit der ukrainischen Grenze.
Die meisten der gut 4.000 Einwohner sind Roma. Dass eine
Theatertruppe in ihren Ort kommt, die nur für sie
spielt, das hat es hier noch nicht gegeben.
„Chef der Schauspieler ist Karel Adam: "Das Roma-Publikum
ist spontan", sagt er. "Wir haben in dem Stück
viele humorvolle Szenen eingebaut und viel Musik, es ist sicherlich
eine leichte Darbietung – und genau das gefällt den
Zuschauern.
" Karel Adam'? und seine Schauspieltruppe gehören
selbst zur Roma-Minderheit – mit ihrem Theater sollen
sie in den Roma-Siedlungen erklären, was es mit dem Euro
auf sich hat.
Informationen zum Euro in Musik und Tanz
"Meiner Meinung nach bringt es den Leuten überhaupt
nichts, wenn es ständig Diskussionssendungen im Fernsehen
gibt oder die Nationalbank irgendwelche Analytiker und Finanzexperten
durch das Land schickt", sagt Theaterchef Adam. Das sei
nicht nur für die Roma uninteressant, sondern auch für
die Mehrheitsbevölkerung. "Wir bringen die wichtigsten
Informationen in unserem Theaterstück unter, dramaturgisch
aufgearbeitet und mit viel Musik – da gehen die Zuschauer
hin wie in ein Konzert."
Und ganz nebenbei gibt es die wichtigsten Informationen
zum Euro – angefangen vom Konvergenzkurs bis hin zur
Frage, wo sich die slowakischen Kronen in das neue Geld einwechseln
lassen. In dem Theaterstück kommt eine Roma-Familie,
die zum Arbeiten in Irland gewesen ist, wieder zurück
in die Slowakei. Sie quartiert sich bei ihren Verwandten ein
und erzählt von den Erfahrungen mit dem Euro –
und damit es nicht zu trocken wird, gibt es ein Familienfest
mit viel Musik und Tanz.
"Ich will kein anderes Geld!"
Die aufwändige Show rund um den Euro ist dringend nötig:
Die Be'?wohner vieler slowakischer Roma-Ghettos waren nur ein
paar Jahre in einer Sonderschule, sie leben ohne Zeitung,
Radio und Fernsehen. Informationen von außen dringen
kaum zu ihnen vor – außer eben, wenn sie ihnen
von anderen Roma vermittelt werden. Das Theaterstück
setzt bei den einfachsten Erklärungen zum Euro an –
etwa damit, warum man für 1.000 geliehene Kronen nicht
1.000 Euro zurückzahlen muss, sondern nur gute 30.
Die Roma sind gutgläubig, und es gibt selbst innerhalb
mancher Familien Leute, die das ausnutzen. Deshalb zeigen
wir solche Betrugs-Beispiele, damit die Zuschauer vorbereitet
sind und niemandem so etwas passiert. Das Publikum in Jarovnice
bleibt trotz der aufwendigen Inszenierung skeptisch gegenüber
dem Euro. Die können uns ja viel erzählen, schimpft
eine Frau, die mit ihren drei Kindern zum Theaterstück
gekommen ist. "Ich will kein anderes Geld, ich kenne
das nicht. Ich will natürlich schon Geld, aber ich will
unseres und nichts, was ich nicht kenne."
40 Auftritte bis Januar
Ein junger Mann sieht die Sache pragmatischer. Irgendwie,
meint er, werde man mit dem Euro schon klarkommen. "Es
wird schwieriger für uns mit dem Euro, und manches wird
auch teurer", sagt er. "Deshalb finde ich es wichtig,
dass wir lernen, mit dem Euro zu arbeiten – je eher,
desto besser." Das Roma-Theater soll zu dieser Aufklärung
beitragen. 40 Auftritte sind'? noch geplant bis zum Januar nächsten
Jahres, wenn in der Slowakei offiziell der Euro eingeführt
wird. Ein Ziel zumindest könnte die Nationalbank mit
dieser ungewöhnlichen Informationskampagne erreichen:
Der Euro soll rechtzeitig zur Währungs-Umstellung zum
Gesprächsthema innerhalb der Roma-Minderheit werden.