Archiv - Politik / Gesellschaft
NZZ, 30. Juni 2006
Eine populistische Regierung für die Slowakei?
Fico spricht mit den Nationalisten Slotas über eine Koalitionsbildung
Der Vorsitzende der slowakischen Smer-Partei, Robert Fico, hat Koalitionsverhandlungen mit der rechtsnationalen xenophoben SNS sowie der Partei des früheren Autokraten Meciar aufgenommen. Die westliche Gemeinschaft und die Wirtschaft sind besorgt.
In der Slowakei zeichnet sich nach der Parlamentswahl vom 17. Juni das schlimmstmögliche Szenario ab: die Bildung einer populistisch-nationalistischen Koalition aus der siegreichen linkspopulistischen Smer-Partei, der Slowakischen Nationalpartei (SNS) und der Bewegung für eine Demokratische Slowakei (HZDS). Robert Fico, Obmann der Smer («Richtung»), verkündete nach einer Sitzung der Parteispitze, er sei ermächtigt worden, die Nationalpartei und die HZDS zu Koalitionsgesprächen einzuladen.
Frühe Beschwichtigungsgesten
Damit sind die Christlichdemokraten und die Ungarische Koalitionspartei, die beide als potenzielle Partner Ficos gehandelt worden waren und auch Interesse an einer solchen Koalition bekundet hatten, fürs Erste aus dem Rennen ausgeschieden. Die Slowakei könnte nach acht Jahren der Reformpolitik eine populistisch-nationalistische und reformfeindliche Regierung bekommen, die vor allem wegen der Beteiligung der Nationalpartei, einer üblen, xenophoben, rassistischen Gruppierung, auf internationalem Parkett mit vehementer Ablehnung zu rechnen hätte. Dass Fico beschwichtigend ankündigte, weder der HZDS-Führer Vladimir Meciar noch der Chef der SNS, Jan Slota, würden in seiner Regierung Einsitz nehmen und die Minderheitenrechte würden nicht angetastet, zeigt, wie umstritten diese Parteien sind.
Liberale Slowaken, die meisten Medien des Landes, Investoren und Vertreter westeuropäischer Länder sind über die jüngste Entwicklung höchst besorgt. Man befürchtet, eine populistische Koalition werde die Sozialausgaben steigern, die Budgetdisziplin vernachlässigen und sowohl die Inflation als auch die Zinsen in die Höhe treiben. Fico versucht derzeit, diese Befürchtungen mit dem Hinweis zu zerstreuen, seine Regierung werde sich bemühen, die Maastrichter Stabilitätskriterien einzuhalten. Ob das Zieldatum 2009 für einen Beitritt zur Euro-Zone beibehalten werden kann, hat die Smer allerdings bereits selber des Öfteren in Frage gestellt. Die ersten Reaktionen der internationalen Diplomatie liessen am Donnerstag äusserste Skepsis erkennen. Den Fehler, das Land für seine unglückliche, aber demokratisch getroffene Entscheidung so zu bestrafen, wie man einst Österreich bestraft hatte, wird man aber dennoch nicht mehr begehen. Ein von Reuters zitierter, ungenannt bleiben wollender Diplomat sagte, Brüssel werde sich damit begnügen, die neue Regierung sehr kühl zu empfangen.
Antisemitismus und Rassismus
Eine solche Reaktion ist verständlich. Die SNS Jan Slotas ist ein weit üblerer Verein als etwa Leppers Samoobrona oder die Liga Polnischer Familien, und die Smer hat bei weitem nicht die im Westen oft unterschätzten antikommunistischen Qualitäten der Partei Recht und Gerechtigkeit der Brüder Kaczynski. Vor Slota, der enge Beziehungen zum Front National Le Pens unterhält, scheut gar die FPÖ Haiders zurück. Die SNS sieht in den ungarischstämmigen Slowaken eine Fünfte Kolonne Budapests, und den Sinti und Roma, die knapp zwei Prozent der Bevölkerung stellen, begegnen ihre Mitglieder mit abgrundtiefer Verachtung, offenem Rassismus und nicht selten mit Gewalt. Slota schreckt weder vor antisemitischen Attacken noch vor einer Verherrlichung des Hitler-Marionettenregimes unter Jozef Tiso zurück. 1995 forderte er offen Ghettos für die Roma, da diese nicht integrierbar seien.
Meciar bleibt nun, paradoxerweise, die letzte Hoffnung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich der alte Patriarch mit Fico beim Gerangel um Posten und Pfründe verkracht. Schwenkte die HZDS zu den Bürgerlichen und den Liberalen des bisherigen Ministerpräsidenten Dzurinda über, ginge der Kelch einer populistischen Koalition an der Slowakei vorüber. Das Problem bei dieser Variante liegt darin, dass die HZDS viele Wähler an Fico und Slota verloren hat, was einer Hinwendung zu Dzurinda etwas Inopportunes gäbe. Viele slowakische Liberale hoffen dennoch auf dieses Szenario..