sport.sf.tv, 25. April 2011
Die Slowakei ist zum 1. Mal Ausrichter einer Eishockey-A-WM. Die noch junge Eishockey-Nation kam einst von ganz unten und musste sich die Zugehörigkeit zur internationalen Elite hart erkämpfen. An der Heim-WM ist ein nächster Befreiungsschlag geplant.
Steht er am Ursprung eines neuerlichen slowakischen Höhenflugs? keystone |
Bis ins Jahr 1993 war die Eishockeygeschichte der Slowakei eng mit der «Brudernation» Tschechien verbunden. Die Tschechoslowakei galt bis zur Spaltung am 1. Januar 1993 als Eishockey-Grossmacht. Namen wie Wladimir Dzurilla oder Marian, Peter und Anton Stastny waren nicht nur Eishockeyfans geläufig. Als geborene Slowaken, alle vier kamen in der heutigen Hauptstadt der Slowakei Bratislava zur Welt, trugen sie tatkräftig zum sportlichen Ruhm und Glanz der damaligen CSSR bei.
Volksheld Dzurilla
Die Goalie-Legende Dzurilla war von 1959 bis 1982 als Spieler in der Tschechoslowakei und Deutschland aktiv. Mit der Nationalmannschaft der CSSR nahm er an insgesamt 10 Weltmeisterschaften teil und gewann dabei 2 Gold-, 3 Silber- sowie 4 Bronzemedaillen. Hinzu kommen 3 Teilnahmen an Olympischen Winterspielen (1964, 1968 und 1972), wo Dzurilla seiner imposanten Medaillensammlung eine Silber- und 2 Bronzemedaillen hinzufügte. Damit gehört er zu den erfolgreichsten tschechoslowakischen Spielern aller Zeiten.
«Stastny-Brothers»: Zuhause gehasst, in der Fremde verehrt
Etwas andere Schlagzeilen lieferten zu Beginn ihrer Karriere die Stastny-Brüder. Peter und Anton nutzten den Aufenthalt der Nationalmannschaft an den Olympischen Spielen in Lake Placid 1980, um sich in die USA abzusetzen. Ihre Flucht wurde in der Heimat als Landesverrat verstanden. Ungeachtet des Imageverlustes in der Tschechoslowakei, starteten die beiden ihre NHL-Karrieren bei den Québec Nordiques. Während knapp 10 Jahren prägten Peter und Anton die NHL.
Im Februar 1981 gelang den beiden als erstem und bisher einzigem Brüderpaar in der NHL je ein Hattrick. So geschehen beim 9:3-Sieg gegen Vancouver. Im selben Jahr stiess auch der älteste der drei Brüder, Marian, zu den Nordiques. Peter etablierte sich rasch als gefährlicher Goalgetter und war in den 80er-Jahren hinter einem gewissen Wayne Gretzky der effizienteste Punktesammler in der NHL. Ein Stanley-Cup-Titel blieb dem Trio aber verwehrt. Dafür wurde Peter 1998 in die Ruhmeshalle der NHL aufgenommen. Im Jahr 2000 folgte die Aufnahme in die «Hall of Fame» des internationalen Eishockeyverbandes IIHF.
Stastny-Spuren auch in der Schweiz
Zwei der berühmten «Stastny-Brothers» haben auch einen Bezug zum Schweizer Eishockey: Anton spielte in der Saison 1989/90 bei Fribourg und absolvierte die letzten beiden Saisons seiner Karriere in Olten (1990-1992). Marian verstärkte 1986/87 für eine Spielzeit den HC Sierre in der NLA.
Aus Bruderliebe wird Rivalität
Die Geburtsstunde der Slowakei als eigenständige Eishockeynation im Januar 1993, die auch die Stastnys zur Rückkehr in den Kreis der Nationalmannschaft bewog, war aus slowakischer Sicht aber alles andere als erfreulich. Die IIHF entschied, dass Tschechien den Platz der ehemaligen Tschechoslowakei in der höchsten Division erben würde. Die Slowakei wurde in die 3. Division, die sogenannte C-Gruppe, «verbannt». Begründet wurde der Entschluss damit, dass das Team der CSSR bis 1992 nur eine Minderheit an slowakischen Spielern aufwies. Logisch, dass die slowakische Seite eine Verschwörung der IIHF witterte.
Durchmarsch und Durchhänger
Der Frust über die Degradierung sass bei den Slowaken tief. Der schnellstmögliche Aufstieg in die Weltelite wurde zur Chefsache erklärt. Bei der C-WM 1994 in der Slowakei, die erste WM nach der Teilung, starteten die Gastgeber unter Trainer Julius Supler den Durchmarsch zurück an die Weltspitze. Nur zwei Jahre später belegte die Slowakei an der A-WM in Wien Rang 10. Man war wieder zurück im Kreis der Top-Nationen. Supler konnte bei seiner Mission auf prominente Namen zählen. Miroslav Satan, Peter Stastny, Lubomir Sekeras oder Robert Svehla, gestandene wie auch künftige NHL-Stars, halfen mit, die Slowakei in die Top-Gruppe zu führen.
WM-Gold als vorläufiger Höhepunkt
Der Aufwärtstrend war danach vorerst gestoppt. In den folgenden Jahren hielten sich die Slowaken zwar in der Weltelite, hatten mit den Medaillenentscheidungen an Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen nichts zu tun. Wie viele andere Nationen litt auch die Slowakei unter der Anziehungskraft der NHL. Anders als in der Aufstiegs-Mission blieben nun die grossen Stars der WM fern.
Dennoch näherte sich die Slowakei Schritt für Schritt den Top-Nationen an. 2002, also rund 10 Jahre nach ihrer Gründung, durfte die slowakische Nationalmannschaft ihren bisher grössten Triumph feiern. An der WM in Schweden führte Coach Jan Filc sein Team zur Gold-Medaille. Angeführt vom unverwüstlichen Miroslav Satan wurde Russland im Final mit 4:3 bezwungen.
Ein Jahr später revanchierte sich die Slowakei erstmals beim neuen Erzrivalen für die 1992 erlittene Schmach. An der WM in St. Peterburg holten die Slowaken die Bronzemedaille dank einem Sieg über Tschechien.
Die «Goldene Generation»
Es begann die Zeit der slowakischen «Goldenen Generation». Spieler wie Satan (Buffalo Sabres), Peter Bondra (Washington Capitals), Zigmund Palffy, Jozef Stümpel (beide L.A. Kings), Michal Handzus (St. Louis Blues, heute L.A. Kings), Marian Gaborik (Minnesota Wild, heute N.Y. Rangers), Richard Zednik (Montreal Canadiens), Pavol Demitra (St. Louis Blues) und Marian Hossa (Ottawa Senators, heute Chicago Blackhawks) hinterliessen in der NHL ihre Spuren.
Erneuter Höhenflug?
Höhenflüge finden aber irgendwann ihr Ende und danach gibt es nur eine Richtung: nach unten. Die Slowakei fiel in den vergangenen Jahren erneut in ein Loch, rutschte in der Weltrangliste auf Rang 8 und hinter die Schweiz ab.
Seit WM-Gold 2002, dem bisher grössten slowakischen Triumph, sind erneut knapp 10 Jahre vergangen. Vielleicht gelingt der Slowakei in diesem Jahr an der Heim-WM erneut ein Exploit. Am liebsten gegen den Erzrivalen und amtierenden Weltmeister Tschechien, dann wäre auch die Wunde von 1992 definitiv verheilt.
(sil)